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Ich weiss, dass du luegst

Ich weiss, dass du luegst

Titel: Ich weiss, dass du luegst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Ekman
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seinem Leben und tut Dinge, die er später als falsch erkennt. Manchmal kann man einfach nichts machen.» Natürlich wäre ein anständiger englischer Vater nicht in der Lage, so etwas ernsthaft zu sagen. Und im Gegensatz zum Verhör wird er nicht lügen wollen, um ein Geständnis zu erzwingen.
    Manche Leute sind besonders anfällig, sich ihrer Lügen zu schämen und Schuldgefühle zu empfinden. Zu ihnen zählen jene, die sehr streng dazu erzogen wurden, das Lügen für eine der schlimmsten Sünden zu halten. Bei anderen hat die Erziehung womöglich nicht unbedingt auf die Verurteilung des Lügens abgezielt, sondern eher ganz allgemein starke, durchdringende Schuldgefühle hervorgerufen. Solche schuldbewussten Menschen scheinen Erfahrungen anzustreben, bei denen sie ihre Schuld verstärken können und vor anderen am Pranger stehen. Leider hat es bisher sehr wenige Untersuchungen übet Personen gegeben, die anfällig für Schuldgefühle sind. Übet entgegengesetzt veranlagte Menschen weiß man etwas mehr.
    Der Zeitungskolumnist Jack Anderson hat einmal von einem Lügner berichtet, der niemals Schuld oder Scham empfand. In einem Artikel, der die Glaubwürdigkeit von Mel Weinberg anzweifelt, den Hauptzeugen des FBI in einem Korruptionsverfahren, beschrieb Anderson Weinbergs Reaktion, als seine Frau entdeckte, dass er die vergangenen vierzehn Jahre eine außereheliche Affäre verheimlicht hatte. «Als Mel schließlich nach Hause kam, schlug er Marys Forderung nach einer Erklärung in den Wind. , sagte er. Dann fläzte er sich in seinen Lieblingssessel, bestellte chinesisches Essen - und bat Mary, ihm die Fingernägel zuschneiden.»| 9
    Das Fehlen jeglichen Schuldgefühls oder jeglicher Scham für die eigenen Vergehen wird als Kennzeichen von Psychopathen betrachtet, sofern der Mangel an beidem alle oder nahezu alle Aspekte ihres Lebens durchdringt. (Natürlich ist eine solche Diagnose nicht aufgrund eines Zeitungsberichts möglich.) Die Experten sind sich nicht einig darüber, ob fehlendes Schuldgefühl und Schamempfinden von der Erziehung oder von biologischen Faktoren abhängig sind. Einigkeit herrscht jedoch darüber, dass weder Schuldgefühle beim Lügen noch die Angst, ertappt zu werden, einen Psychopathen dazu verleiten werden, Fehler beim Lügen zu machen.
    Wenn der Betrüger nicht die Wertvorstellungen seines Opfers teilt, wird er auch nicht viel Schuldbewusstsein für den Betrug empfinden. Man fühlt sich weniger schuldig, jemanden zu belügen, den man für einen Übeltäter hält. Ein Schürzenjäger, dessen Ehepartnerin kalt und lustlos im Bett ist, wird vielleicht keine Schuldgefühle haben, wenn er seine Affäre verheimlicht. Ein Revolutionär oder ein Terrorist wird sich kaum schuldig fühlen, die Strafverfolger zu betrügen. Ein Spion wird keine Schuldgefühle haben, wenn er sein Opfer in die Irre führt. Ein früherer CIA-Agent hat das prägnant formuliert: «Denken Sie sich all das Geschwätz weg, das um die Spionage gemacht wird, und Sie haben den Job des Spions: Vertrauen missbrauchen.»| 10 Als ich Sicherheitsbeamte bei der Suche nach Leuten beriet, die ein hochrangiges Regierungsmitglied umbringen wollten, konnte ich nicht von einem Schuldbewusstsein ausgehen, das mir irgendwelche vielversprechenden Zeichen geben würde. Attentäter mögen zwar Angst davor haben, erwischt zu werden, wenn sie keine Profis sind, aber sie fühlen sich höchstwahrscheinlich nicht schuldig für ihre Pläne an sich. Ein Profi-Krimineller fühlt sich nicht schuldig, wenn er einen Außenstehenden betrügt. Mit dem gleichen Prinzip kann man erklären, warum Diplomaten oder Spione keine Schuldgefühle haben, die andere Seite hinters Licht zu führen: Hier gibt es keine gemeinsamen Werte. Der Lügner tut etwas Gutes - für seine Seite.
    In den meisten dieser Beispiele wird das Lügen legitimiert - jede Person beruft sich auf eine wohldefinierte soziale Norm, die es ihr erlaubt, einen Gegner zu betrügen. Mit solchen autorisierten Täuschungen ist wenig Schuld verbunden, wenn die Zielpersonen auf der anderen Seite stehen und andere Werte haben. Legitimiert wird aber sogar der Betrug an Zielpersonen, die nicht zu den Gegnern gehören, vielmehr mit dem Betrüger dieselben Werte teilen. Ärzte fühlen sich wahrscheinlich nicht schuldig, wenn sie ihre Patienten betrügen, solange sie glauben, es sei zu ihrem Besten. Einem

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