Ich weiß, ich war's (German Edition)
wie’s so läuft …« »Doch, läuft ganz gut, Eröffnung war ja rappelvoll. Echt super! Jetzt hänge ich gerade ein paar Bilder um, das wird schon.« Die Mutter ist beruhigt: »Das klingt doch prima. Toll, wie du das hinkriegst, bleib am Ball, Schatz – und wenn du Hunger hast, komm nach Hause.«
Im dritten Monat ruft die Bank an: »Wie sieht’s aus? Wir haben keinerlei Kontobewegungen – verkaufen Sie nichts?« Dann schießt Papa die Miete vor. Nächster Monat, wieder die Bank. Papa: »Nee, ich nicht mehr, tut mir leid, ich hab dir immer gesagt, das wird nichts.«
Am Schluss wird die Bude geschlossen und der Typ hängt mit so einer Fresse in einem der Cafés rum, hasst alle, die sich noch bewegen, und simuliert, dass er die Zeitung liest. Und wenn ich da vorbeikomme, ist so eine Strahlung unterwegs, ein böser Blick, den ich überhaupt nicht mag – weil ich selbst natürlich so wahnsinnig sympathisch und nett bin …
Nein, ich meine wirklich, diese böse Stimmung ist so schade. Oder diese Horden von militarisierten Familien, die da am Prenzlauer Berg rumrennen. Kind mit Gummistiefeln und Öljacke, weil es ein bisschen geregnet hat, dann noch Ikea-Ölentchen für die Badewanne, Ölschnuller und der Müll abweisende Kinderwagen mit dem Trittbrett zum Mitfahren für Mutter und Vater – das war mir früher alles ziemlich egal, ich hab ein bisschen darüber gelästert und das war’s. Aber inzwischen regt es mich innerlich auf und klebt mir einen Stress an die Backe, den ich überhaupt nicht will. Ich finde, dass der Mensch viel zu viel Kraft hat. Zurzeit bin ich natürlich froh drüber, klar, aber im Großen und Ganzen sind wir extrem geladene Wesen. Schon beim Frühstück sind wir auf 180 und müssen all die Energie abbauen, damit wir abends das Gefühl haben, wir hätten etwas getan. Oft tun wir ja dann tagsüber nichts, weil schon das Frühstück so anstrengend war – aber trotzdem: Insgesamt sind wir mit sehr viel Energie gesegnet.
Wenn man sich selbst mal beobachtet, auch im Café: Zeitung holen, Cappuccino bestellen, Zeitung auf, Zeitung zu, dann noch ’ne Zeitung, die FAS und die Bild -Zeitung – man darf mal ganz schnell reingucken, ohne dass es jemand merkt, und dann wieder weg. Cappuccino? Hallo, wo bleibt mein Cappuccino?
Ich glaube nicht, dass das erholsam ist. Ich glaube, dass es einfach nur nachgemachte Spielereien sind, um zu behaupten: Ja, schaut nur, ich bin da! Ich bin da, obwohl ich mich verloren habe. Und dieser Blick, wenn man diese Leute ansieht – eigentlich sieht man ja sich selbst. Auch wieder Cusanus: Man kann dem Blick dieser Leute nicht entweichen, weil man weiß, dass dieser Blick auch aus einem selbst herauskommt. Man ist eigentlich selbst dieses hektische Tier, das die ganze Zeit simulieren muss, mich gibt’s, ich bin da. Die Frage ist nur: Wo komme ich her und wo will ich eigentlich hin, was habe ich vorgehabt und was ist eigentlich daraus geworden? Und, oh Gott, wie sieht denn mein Kind aus, was ist das denn? So was habe ich jetzt auch wieder in einem der Prenzlauer-Berg-Cafés gesehen: Ein Kind saß da rum und die Eltern hatten kleine Brotkugeln geformt, unterschiedliche Figürchen, damit das Kind sich entscheiden kann zwischen Eierkugel und Pallermännchen. Dazu gab’s noch Quark oder Joghurt, iss doch was, Kind, iss. Aber das Kind quengelt, irgendwann brüllt es wie am Spieß und schmeißt die Brotkugeln samt Quark auf den Boden. Die Mutter macht ganz schnell neue Figürchen, der Vater turnt am Boden rum und wischt alles weg.
Das sind eben solche Momente: Sie wachen morgens auf und sehen plötzlich, Ihr Kind sieht scheiße aus, das wird nichts, das ist total verwöhnt, Sie wollen es am liebsten langsam los sein. Und die einzige Angst, die Sie haben, ist, dass das Kind dann irgendwann mit 18 fragt: Bin ich eigentlich bei euch krankenversichert? Und Sie müssen zugeben, dass Sie Ihr Kind nie krankenversichert haben, weil Sie sich sonst Ihren Wagen nicht hätten leisten können.
Alles Sachen, die ich nicht mehr will. Ich will sie vielleicht auf eine andere Art. Aber wie? Wie soll man das hinkriegen mit dem Narzissmus? Da ist das, was Johannes mir über Cusanus, die Mönche und das Auge geschrieben hat, wirklich interessant, glaube ich. Ich les das mal vor: »Die Mönche sollen sprechen über das, was sie nicht sehen. Tun sie das, so hört der blinde Fleck auf, bedrohlich zu erscheinen. Denn sie reden ab diesem Zeitpunkt über sich, aber in entäußerter Form, also
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