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Ich weiß, ich war's (German Edition)

Ich weiß, ich war's (German Edition)

Titel: Ich weiß, ich war's (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Schlingensief , Aino Laberenz
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Aktualisierungsbilder zu produzieren, unter dem Motto: »Da, guck mal hier, wie witzig, Kundry auf einem Eisblock«, oder »Ach interessant, Amfortas als Vorstandsvorsitzender«. So etwas hat mich nie interessiert. Für mich ist in Wagners Musik die Frage nach dem Metaphysischen und der Transzendenz zentral, nach den Kräften, die zwischen den Menschen walten und die uns entweder auf- oder entladen, die Frage nach dem Universum. Und die Frage, was das eigentlich ist, dieses Mitleid, das Parsifal lernen soll, um den zerstörten Verein erlösen zu können. Wie soll Mitleiden überhaupt gehen, wenn jedes Leid einzigartig ist? Und gibt es für dieses Erlösungsbedürfnis eine praktikable Lösung? Oder bricht da nicht doch wieder der Kollektivwahn aus?
    Also habe ich den Leuten von Sternen und Fernrohren erzählt, von meinem Nahtod-Erlebnis, vom Mutterkorn bzw. LSD, das Ernst Jünger so gerne genommen hat, um sich der Grenze zum Unbekannten, zu einer anderen Welt, einer anderen Zeit zu nähern. Habe erzählt, dass ich den Dirigenten auf einen Planeten projizieren will, der über den Köpfen des Publikums kreisen soll. Habe Dias von meinen Reisen nach Nepal und Afrika gezeigt und erklärt, dass ich den »Parsifal« von dem christlichen Schmier befreien will und deswegen nach anderen spirituellen Räumen suche. Dass ich mit einer Drehbühne arbeiten will, damit die Zeit zum Raum werden kann. Und mit Filmprojektionen, nicht als Bebilderung der Musik, sondern als Bilder, die auf der Musik tanzen.
    Als ich fertig war, hat einer ganz zaghaft geklatscht, ansonsten herrschte eisige Stille. Die waren abgekühlt bis unter hundert Grad minus. Mag sein, dass die Leute nur Bahnhof verstanden haben – aber diese Eiseskälte und dieses Schweigen im Raum waren schon ziemlich unheimlich.
    Jedenfalls hieß es plötzlich: Jetzt wird probiert. Ich war überhaupt nicht vorbereitet, dachte, man muss sich doch erst mal kennenlernen, bevor man loslegen kann. Und dann sollte es gleich die schwere Liebesszene zwischen Parsifal und Kundry sein. Sie ist deswegen so schwer, weil Wagner-Sänger aus Beton sind. Bei meinem Parsifal war’s besonders schlimm. Wenn man Glück hatte, ging er an einem Abend drei Schritte nach rechts und drei Schritte nach links, weil er Angst hatte, dass ihm bei zu viel Bewegung die Stimme wegrutschen würde.
    Als ich gerade mit der Probe loslegen wollte, zockelte Wolfgang Wagner über die Bühne. Die Kundry, Michelle de Young, tolle Stimme, tolle Frau, aber doch auch ein Berg, begrüßte ihn mit einem lang gezogenen »Hi« – und Katharina Wagner flippte sofort aus. Wie von der Hornisse gestochen, sprang sie auf: »Was soll das? Wie grüßen Sie denn meinen Vater? Der ist hier der Chef, ohne ihn läuft hier gar nichts.« Daraufhin brach Michelle de Young in Tränen aus und rannte von der Bühne. Sofort alle ganz hysterisch hinterher, nur ich nicht. Ich dachte: Gott sei Dank! Zeitgewinn! – und blieb erst mal sitzen. Irgendwann bin ich natürlich auch ein bisschen auf der Bühne rumgeschlichen, hab in die Ritzen vom Bühnenboden geguckt, damit man mir nicht vorwerfen konnte, ich suche nicht mit. In Wirklichkeit habe ich die ganze Zeit nur gedacht: Super, wie lange noch? Wann ist die Probe vorbei?
    Der Tenor hat Michelle dann völlig aufgelöst im Keller gefunden, große Diskussion, Geheule, am Ende dann Versöhnung. Das Ganze dauerte eine Stunde, also blieb leider immer noch eine halbe Stunde für die Probe. Irgendwie habe ich sie überstanden, ich weiß nicht mehr, wie, es war jedenfalls schrecklich. Anschließend sind alle wortlos rausgestürmt, nur der liebenswürdige Pierre Boulez hat sich von mir verabschiedet.
    Als ich gerade gehen will, stürmt Gudrun Wagner aus der Kantine, sieht mich und brüllt ziemlich betrunken zu mir herüber: »Herr Schlingensiiiief!« Das hätte ich nicht mehr geschafft. Blitzschnell habe ich mich hinter Carl versteckt, ihn vor mir hergeschoben und angefleht: »Carl, bitte, lass dir was erzählen, ich kann nicht mehr, ich bin im Hotel.« Gudrun Wagner hat Carl dann ungelogen zwei Stunden lang vollgequatscht, dass wir keine Ahnung hätten, dass wir besser sie hätten fragen sollen. Sie hätte die Kostüme besser gemacht, sie hätte das Bühnenbild besser gemacht, wenn wir auf sie gehört hätten, hätten wir jetzt nicht diesen Müllpark auf der Bühne, wahrscheinlich hätte sie auch besser gesungen … Sie muss einen Wahnsinnsauftritt hingelegt haben, Gott hab sie selig.
    Ich saß derweil

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