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Ich weiß, ich war's (German Edition)

Ich weiß, ich war's (German Edition)

Titel: Ich weiß, ich war's (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Schlingensief , Aino Laberenz
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deswegen so geschockt, weil ich eh schon dachte, das mit den Mädchen wird nie was. Während der Pubertät habe ich einfach keine Beziehung auf die Beine gekriegt. Die erste mit Claudia hatte ich Idiot ja nach zwei Wochen abgebrochen, weil ich der Überzeugung war, ich müsse mich mehr um meinen Film kümmern, ich hätte keine Zeit für eine Beziehung. Dann wollte ich immer Freundinnen, das klappte aber nicht – und ich wurde immer verzweifelter bis hin zur Totalverkrampfung. Auch weil ich mich total hässlich fand: die Nase zu groß, Ohren abstehend, Haare scheiße, alles furchtbar. Als kleiner Junge war ich ja recht hübsch, die Leute fanden mich jedenfalls süß und haben mich oft für ein Mädchen gehalten. Aber in der Pubertät sah ich wirklich unangenehm aus, finde ich.
    In der Zeit gab es natürlich auch die ersten Konflikte mit meinen Freunden. Wir waren ja ein Team, jeder hatte seinen Bereich beim Drehen. Problem war nur: Ich war so egomanisch, dass ich überall mit rumgefummelt habe. Und ich hatte meine Pläne, die bis ins kleinste Detail ausgearbeitet waren. Jede Einstellung war von mir vorgestoppt und entsprechend festgelegt, hier drei Sekunden, dort fünf Sekunden – und das hatte dann auch so zu klappen. Wenn es nicht klappte – was natürlich dauernd passierte, weil die Pläne viel zu genau waren –, war ich fix und fertig und bin ausgerastet. Das mochten meine Freunde überhaupt nicht. Einmal, als ich gerade vom Klo zurückkam, hörte ich sie über mich reden: dass der Film totale Scheiße sei, dass ich sowieso irgendwie nicht alle Tassen im Schrank hätte; und wie ich mich aufführen würde, wäre ja eh unmöglich. Das tat so weh, wie da alle über mich hergezogen sind. Superallein habe ich mich plötzlich gefühlt – aber keinem etwas davon gesagt.
    Mit meinem Vater bin ich in dieser Zeit auch heftig aneinandergeraten. Mit 17 war ich bei uns im Haus in den Keller gezogen, nicht aus Protest, sondern weil ich mehr mit mir alleine sein wollte. Und außerdem gab es ja dann auch Inge, meine erste große Liebe, mit der ich ziemlich lange zusammen war. Einmal hatten Inge und ich uns nach der Schule unter einem Tisch verkrochen, Decke drüber, und angefangen, miteinander rumzumachen. Da kam mein Vater in den Keller, schlenderte herum, als wolle er nur mal schauen, ob ich vielleicht da bin, und pfiff dabei irgendeine Melodie, ein bisschen wie Peter Lorre in Fritz Langs »M – eine Stadt sucht einen Mörder«. Dabei wusste ich genau, er weiß, dass ich da bin. Er hatte immer den siebten Sinn. Auch später, wenn ich zu Besuch nach Hause kam, egal wann, mein Vater stand schon Minuten vorher am Fenster, als hätte er so ein GPS-System für seinen Sohn. Das fand ich immer ziemlich unheimlich.
    Irgendwann geht er jedenfalls an diesem Nachmittag auch in das Nebenzimmer, wo Inge und ich nackt unterm Tisch liegen, beugt sich runter, streckt plötzlich seine Hand unter den Tisch und tut ganz erschrocken: »Was ist denn das hier?« Als Nächstes dann die Empörung: »Komm sofort da raus. Wir sprechen uns oben!« Ich raffe meine Klamotten zusammen, ziehe mich blitzschnell an und renne aus dem Haus. Mein Vater hinter mir her: »Du bleibst jetzt hier!« »Nein, ich bleibe nicht hier!« Mitten auf den Altmarkt bin ich gelaufen, habe so getan, als sei er ein Fremder, und gebrüllt: »Lassen Sie uns in Ruhe, Sie Schwein, Sie Drecksau!« Das war natürlich ein Riesenskandal: Altmarkt, die Apotheke, die Kirche, zig Leute standen da rum und hörten zu, wie ich meinen Vater als Schwein beschimpfe. Das war wirklich ein Riesenknall damals, mein Vater hat mir diesen Auftritt lange nicht verziehen.

München
    Nach dem Abitur hatte ich nur ein Ziel: die Filmhochschule in München. Aber meine Bewerbung wurde abgelehnt. Ich kann nicht leugnen, dass ich sehr, sehr traurig war und keine Ahnung hatte, was ich jetzt machen sollte. Ich wusste nur, ich wollte weg aus Oberhausen, obwohl ich noch mit Inge zusammen war. Verzweifelt habe ich versucht, sie zu überreden mitzukommen, aber sie wollte lieber in Oberhausen bleiben. Also bin ich alleine nach München und habe mich an der Uni eingeschrieben: für Germanistik, Theaterwissenschaften, Philosophie, Schraubenkunde, keine Ahnung, was noch – für alles und nichts. Mein Vater wollte, dass ich Pharmazie studiere, die Bewerbungsunterlagen hatte er schon für mich ausgefüllt, Zettel drangeklebt »Hier unterschreiben« und mir auf den Schreibtisch gelegt – aber ich habe nicht

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