Ich weiß, ich war's (German Edition)
Großverdiener der deutschen Malerei. Alles ist vorbei. Der Humor ist vorbei. Oder doch nicht? Oder war das größte Glück nicht dieser wunderbare Blick auf das Absurde des Lebens? Eigentlich hat er mehr gegrinst als alle Komiker zusammen. Aber von Ironie oder Zynismus hat er sich gerne ferngehalten.
Die Bitterkeit darüber, dass man ausgerechnet selbst abtreten muss – wobei das Fußvolk, das man jahrelang mit seinen Ideen ernährt hat, weiterleben darf, das verkraftet man schwer. Manchmal denkt man gegenteilig darüber, man liebt die Leute ja, aber man hat sie in all ihren Schwächen, Fehlern und Eitelkeiten durchschaut – und sobald man die Kontrolle über seinen Weltschmerz verliert, sagt man ihnen auch, was man von ihnen denkt, und man sagt es ihnen genau und beharrlich mitten ins Gesicht, weil man nicht mehr die Zeit hat, sich anzuschauen, wie sie schon wieder den gleichen Fehler wiederholen.
Der Regisseur hat die wichtigen Unternehmungen wie den Pavillon in Venedig abgesagt – und andere Dinge mehr. Er will – möglicherweise aus sentimentalen Gründen – zum Film zurückkehren und hat die kleine Schar um sich gesammelt, mit der er schon immer gearbeitet hat, denn das war seine Lebensweise und das Prinzip, aus dem er geschöpft hat, trotz zunehmender Bekanntheit immer wieder auf den engen Kreise derer zurückzugreifen, mit denen er gearbeitet hat, denen er vertraut und die er kennt und die zu seinem Leben gehören. Aus diesen schöpft er, aus diesen entsteht seine Kunst, die daher auch manchmal etwas hermetisch ist und eine ganz eigene, ursprüngliche Prägung hat. Aber widern sie ihn nicht auch an? Hätte er nicht auch ganz andere Möglichkeiten gehabt? Und wie stehen sie überhaupt zu ihm, all die Schauspieler, der Autor, der Dramaturg, der ihn quer durch Europa begleitet hat – und was können sie überhaupt beitragen zu seinen Ideen, zu seinem Leben, wenn er selbst keine Ideen, wenn er selbst kein Leben mehr hat? Es ist ziemlich ernüchternd, sich all diese Fragen zu stellen und dabei sich und die anderen zu beobachten, die die Bühne seines geplanten, letzten Filmsets betreten, die kommen und gehen und die ihm fast schon so vorkommen wie Figuren aus seiner Erinnerung. Da ist seine Frau, seine Lebensgefährtin – ein Anker – tagsüber vielleicht, aber nicht unbedingt nachts, denn nachts ist er in der Klinik – manchmal zumindest – oder Ärzte kommen und er setzt sich mit ihren Eitelkeiten auseinander und ihren Lügen und Fehldiagnosen oder muss ihr Mitteilungsbedürfnis ertragen. Und dann kommen diese immer wiederkehrenden Albträume, in denen niemand, der ihm wichtig ist, mehr zu erreichen ist – alle sind plötzlich verschwunden, weil er Fehler gemacht hat, weil er zu schwach war, weil sie mit seiner vernichteten Physis nichts zu tun haben wollen, weil sie Egoisten sind, die keine Mühen gebrauchen können – aber das hat er zu spät erkannt – viel zu spät.
Da er ein Teil des öffentlichen Lebens geworden ist, mischt sich hier alles irgendwie. Interviews werden plötzlich wichtiger als die Proben an dem Film – er, der bekannt ist dafür, Konzepte umzuwerfen, wird auch dieses Schema durchbrechen müssen – alles, was es zu sagen gibt, ist zu langwierig, als dass es noch – noch einmal – gesagt werden kann – und die Fäden, die er überall in der Welt geknüpft hat, sind nur noch schwer zusammenzuhalten. Ist es möglich, noch einen Film auf die Beine zu stellen? Und wenn ja, wer ist in der Lage dazu, wenn nicht er selbst, eine Aussage über sein Leben zu machen? Es stellt sich heraus, dass eigentlich niemand – einmal danach gefragt – mit seiner Arbeit etwas anfangen kann. Sie konnten dirigiert werden und an Marionettenfäden gezogen werden, aber verstanden haben sie, was sie all die Jahre gemacht haben, nicht. Und jetzt tun sie auf einmal alle so, als ob sie überhaupt keinen Zugang mehr dazu hätten. Der Humor würde ihnen fehlen. Ohne den Humor ginge es nicht. Das ist ein Dilemma. So sprechen sie plötzlich über ihn. Und er bekommt alles mit, bekommt diese ganze Stimmung mit. Manche wollen abreisen, trauen sich aber nicht. Wenn die Dreharbeiten nicht endlich losgehen, geht es nicht mehr. Sie sind lange genug ausgebeutet worden. Und es ist mit ihm immer wieder das Gleiche.
Doch wie das alles festhalten in der Kürze der Zeit? Es wird eine schwierige, aufregende Arbeit werden, sich bis zu dem Moment durchzubeißen, wo sich alle aus ihrer Betroffenheitsstarre lösen und
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