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Ich weiß nicht, was ich wollen soll: Warum wir uns so schwer entscheiden können und und wo das Glück zu finden ist (German Edition)

Ich weiß nicht, was ich wollen soll: Warum wir uns so schwer entscheiden können und und wo das Glück zu finden ist (German Edition)

Titel: Ich weiß nicht, was ich wollen soll: Warum wir uns so schwer entscheiden können und und wo das Glück zu finden ist (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bas Kast
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und Lebensmöglichkeiten. Es ist die Stadt, in der, im Gegensatz zum mitunter beklemmenden Dorf, unser Freiraum am größten ist. Hier bietet uns das Leben die meisten Möglichkeiten. If you can make it there, you can make it anywhere , darin steckt Chance wie Erfolgsdruck gleichermaßen: Wer hoch hinauswill, landet früher oder später meist zwangsläufig in der Stadt. Aber auch die Kehrseite des Erfolgs zeigt sich in Städten auf drastische Weise, etwa in Form von Slums und Kriminalität.
Zweitens: der Wohlstand. In den Metropolen dieser Welt ist der Wohlstand üblicherweise am größten, die höheren Kosten jedoch verschärfen zugleich den Druck, Geld zu verdienen. Städte sind moderner als Dörfer, Dörfer altmodischer als Städte, was heißt, dass sich in der Stadt auch das Konsumrüsten zuspitzt: Hier muss man mit dem, was angesagt ist, in besonders hohem Maße mithalten können.
Drittens: die Rastlosigkeit. Das Dorf kann auf Dauer langweilig werden, in der Großstadt dagegen grassiert die Hektik ebenso wie das Aufmerksamkeitsdefizit, mit Auswirkungen, die sich bis auf die Umgangsformen erstrecken. Städter mögen weniger höflich erscheinen als Dorfbewohner, sie haben weniger Zeit, ausführlich mit uns zu plaudern oder uns in aller Ruhe den Weg zu zeigen – das aber nicht unbedingt, weil sie egoistischer wären als Leute vom Lande, nein, sie müssen weggucken, sie sind zur Ignoranz gezwungen, aus dem gleichen Grund, weshalb man einem Pferd in der Stadt ein Paar Scheuklappen verpassen muss: Würde man in einer Metropole wie New York alles und jedem uneingeschränkte Aufmerksamkeit schenken, man käme zu nichts, man wäre zur Dauerneurose verdammt, man würde früher oder später ausrasten. [140]  
    Ich liebe die Stadt. Ich habe jahrelang für den Tagesspiegel in Berlin geschrieben, für eine Lokalzeitung, die sich trotzdem nie »lokalig« angefühlt hat, was das Blatt unter anderem der schlichten Tatsache zu verdanken hat, dass es eben nicht irgendwo erscheint, sondern in Berlin.
    Seit es sie gibt – seit wir mit Hilfe des Ackerbaus die Nahrungsversorgung sicherstellten, sesshaft wurden und uns eine immer differenziertere Arbeitsteilung erlauben konnten –, waren Städte der Ort, wo die Musik spielt. Würde sich ein Außerirdischer nachts unserem Planeten nähern, er würde zunächst nur das Licht unserer Städte sehen.

    Richtig, in Wirklichkeit ist es stets nur in einem bestimmten Teil der Erde Nacht, während es auf der anderen Seite Tag ist, so gesehen ist das Beispiel rein hypothetisch. Trotzdem, würde sich einem E. T. dieses zusammengestellte Satellitenbild der NASA bieten, er oder es müsste nicht einmal einen Fuß auf die Erde setzten, um herauszufinden, wer diese Welt regiert: die USA, Europa und Japan leuchten am stärksten auf. Ganze Kontinente bleiben weitgehend unsichtbar. So ziemlich das Einzige, was man von Afrika sieht, beschränkt sich auf den äußersten Norden, mit Städten wie Kairo, sowie auf den Süden, wo vor allem Johannesburg leuchtet, Südafrikas Wirtschaftszentrum und größte Metropole des Landes. Man kann sogar die Helligkeit des Satellitenbildes messen und damit das Bruttoinlandsprodukt der entsprechenden Region vorhersagen. [141]  
    In Städten nehmen Trends und Innovationen ebenso ihren Anfang wie Revolutionen. Es war das alte Athen, in dem die abendländische Philosophie aufblühte, in Wien spielte mit Haydn, Mozart, Beethoven und Schubert einst buchstäblich die Musik. Mailand ist die Stadt der Mode, Paris die Stadt der Liebe – Städte haben offenbar wie Menschen ihre ganz eigene Persönlichkeit, als seien sie ein eigener Organismus.
    Über diese spezifischen »Persönlichkeitseigenschaften« hinaus aber haben Städte auch ihre Gemeinsamkeiten: eine Art universelle urbane Anatomie oder Grammatik. Wie sieht diese Anatomie aus? Wie unterscheidet sich die Stadt vom Dorf? Was ist eigentlich eine Stadt, worin besteht ihr Wesen? Und warum macht sie uns rastlos (bis hin zu neurotisch), rastloser jedenfalls als das Dorf?
    Der urbane Organismus
    In gewisser Weise lässt sich der Übergang vom Dorf zur Stadt hin zur Millionenmetropole vergleichen mit der Entwicklung von Martin Scorseses immer rasanter werdenden Kinofilmen: Es ist, als würde für einen Städter die »Einstellungslänge«, der er täglich ausgesetzt ist, umso kürzer ausfallen, je größer die Stadt ist, in der er lebt.
    Das gilt schon allein für die optischen Eindrücke pro Zeiteinheit, die auf uns

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