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Ich weiß nicht, was ich wollen soll: Warum wir uns so schwer entscheiden können und und wo das Glück zu finden ist (German Edition)

Ich weiß nicht, was ich wollen soll: Warum wir uns so schwer entscheiden können und und wo das Glück zu finden ist (German Edition)

Titel: Ich weiß nicht, was ich wollen soll: Warum wir uns so schwer entscheiden können und und wo das Glück zu finden ist (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bas Kast
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Herz eines Hundes wiederum schlägt langsamer als das Herzchen einer Maus.
    Und diese Verlangsamung, die mit der Größe kommt, beschränkt sich nicht aufs Herz. Sie erstreckt sich bis auf die kleinsten Bausteine des Körpers. Jede einzelne Zelle eines Elefanten oder eines Pferdes verbraucht weniger Energie und Sauerstoff als eine durchschnittliche Mauszelle (Ziel des Herzschlags und der Blutzirkulation sind ja, den Körper mit Energie und Sauerstoff zu versorgen sowie Müll, etwa CO 2 , zu entsorgen). Allgemein formuliert gilt im Tierreich folgende Faustregel: Je größer der Organismus, desto geringer der Sauerstoffverbrauch der einzelnen Körperzellen dieses Organismus. [144]  

    Anders ausgedrückt: Je größer das Tier, desto gemächlicher wird das Lebenstempo seiner Bausteine (Herz, einzelne Zelle). Ein Tier wird mit zunehmender Größe also zunehmend entschleunigt, seine Größe macht es träge. Befreit man die Körperzellen vom Tier, verschwindet dieser verlangsamende Effekt der Größe. [145]  

    Entnimmt man zum Beispiel verschiedenen Säugetieren ein paar ihrer Körperzellen und vermehrt (»kultiviert«) diese in spezialbeschichteten Plastikflaschen, zeigen die Zellen bald alle einen ähnlichen Sauerstoffverbrauch: Eine Rattenzelle unterscheidet sich, befreit von ihrer ehemaligen Umwelt namens Ratte, in ihrem Lebenstempo nicht mehr von der Zelle eines Rindes, nachdem man diese aus der Umwelt namens Rind befreit hat. Es ist also der Körper (dessen Größe), der das Lebenstempo der Bausteine bestimmt, aus denen er besteht.
    Schön, aber was hat das alles mit dem Unterschied zwischen Dorf und Stadt zu tun? Nun, analog zum Tierreich könnte man auch Dörfer und Städte als Körper oder Organismen verschiedener Größe betrachten. Die Einwohner würden in der Metapher zu den entscheidenden, wenn auch nicht einzigen »Bausteinen« dieser Organismen gehören. Würden nun für den urbanen Organismus ähnliche Gesetze gelten wie für dessen biologische Gegenstücke, müsste man eigentlich erwarten, dass die Einwohner einer Stadt – wie die Körperzellen eines Tiers – mit zunehmender Gesamteinwohnerzahl effizienter und sparsamer werden. Wie schon am CO 2 -Ausstoß beispielhaft gezeigt, scheint genau das der Fall zu sein: Je größer eine Stadt, desto grüner ihre Einwohner.
    Kürzlich ist ein Forscherteam unter Leitung der theoretischen Physiker Luís Bettencourt und Geoffrey West vom Sante Fe Institute in New Mexico dieser Sache einmal systematisch auf den Grund gegangen (das Institut ist eine interdisziplinäre Forschungsstätte, die, neben anderen, von dem Physiker und Nobelpreisträger Murray Gell-Mann ins Leben gerufen wurde). Die Forscher sammelten die Daten zahlreicher amerikanischer, europäischer sowie chinesischer Städte – von der Anzahl der Tankstellen über die Länge der elektrischen Kabel, vom Wasser- bis zum Stromverbrauch, von der Kriminalitätsrate bis hin zur Zahl der Patente, Aidsfälle und Bankguthaben. Anschließend verglichen sie die gesammelten Kennzahlen mit der Größe der Städte.
    Es zeigte sich: Egal, in welchem Land sich eine Stadt befindet, egal, ob sie in Hessen oder im südlichen China liegt, überall auf der Welt scheint die Größe der Stadt einen maßgeblichen Einfluss auf die Bausteine zu haben, aus denen sie sich zusammensetzt. Wie in der Biologie werden zum Beispiel viele Aspekte der Infrastruktur einer Stadt mit zunehmender Stadtgröße ökonomischer. So haben große Städte zwar, wie ja auch nicht anders zu erwarten, insgesamt mehr Tankstellen als kleine Städte, pro Kopf aber sinkt mit der Einwohnerzahl einer Stadt die Zahl der Tankstellen. Ebenso verhält es sich mit der Länge der Kabel, Rohre und Straßen.
    Überraschenderweise jedoch gehorcht der urbane Körper nicht immer den bekannten Gesetzen der Biologie. Mehr noch, die meisten Daten der Physiker weisen sogar in exakt die entgegengesetzte Richtung. Anders als im Tierreich zeichnen sich Städte gerade dadurch aus, dass viele der Kennzahlen mit steigender Größe der Stadt nicht ab-, sondern zunehmen.
    Beispielsweise erhöht sich mit der Einwohnerzahl einer Stadt auch systematisch die Zahl der Patente, die in dieser Stadt pro Einwohner hervorgebracht werden. Es ist, als würde ein Stadtmensch schon allein dadurch einen Kreativitätsschub erfahren, dass die Stadt, in der er lebt und erfindet, über eine gewisse Größe verfügt, und je größer die Stadt, in der er oder sie lebt, desto größer fällt

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