Ich weiß nicht, was ich wollen soll: Warum wir uns so schwer entscheiden können und und wo das Glück zu finden ist (German Edition)
in der Regel auch die Forschungsrichtung vorgegeben hat). In einer Studie an der Harvard-Universität hat man für einen gewissen Zeitraum einen Teil der dort hervorgebrachten Publikationen untersucht, wobei man sich auf zwei Aspekte fokussierte: Erstens, wie oft die Publikation von Forscherkollegen zitiert wurde (»Impact Factor« genannt, in der Wissenschaft der Indikator schlechthin für die Relevanz der Arbeit), und zweitens, wo auf der Welt die beteiligten Forscher arbeiteten.
Dabei offenbarte sich ein klarer Zusammenhang zwischen der Distanz des Erst- und Letztautors und dem Erfolg ihrer Arbeit: Je näher die beiden wichtigsten Figuren der Publikation sich räumlich waren, desto häufiger wurde ihre Studie von Kollegen zur Kenntnis genommen. Forschten die beiden in ein und demselben Gebäude, wurde ihre Publikation mit Abstand am häufigsten zitiert, deutlich öfter, als wenn sie »nur« in der gleichen Stadt arbeiteten, und viel öfter als die Publikationen jener Teams, deren Protagonisten in verschiedenen Städten lebten. [152]
Das Internet ist also kein Ersatz direkter Kontakte, es ergänzt sie (wozu auch die Beobachtung passt, dass Facebook-Mitglieder nicht weniger, sondern mehr Freunde in der realen Welt haben als Facebook-Abstinenzler [153] ). Der unmittelbare zwischenmenschliche Austausch gehört nun mal zu unserem Wesen.
Städte sind der Ort, wo diese Seite unseres Wesens ihre höchste Ausprägung findet. Erstmals in der Geschichte der Menschheit leben weltweit mehr Menschen in Städten als auf dem Land, und in Zukunft werden immer mehr Menschen in immer größeren Metropolen leben. [154]
Zu dem anregenden Rastlosigkeitsschub, den wir aus der Großstadt erfahren, gesellt sich nun noch der Schub aus der sich stetig ausweitenden Online-Welt. Immer mehr Dorfbewohner werden zu Stadtbewohnern, immer mehr Stadt- und Dorfbewohner werden zu Bewohnern des Internets (dass es irgendwann mehr Online- als Offline-Bürger gibt, ist ja ebenfalls nur noch eine Frage der Zeit). Wie es scheint, wird uns das Phänomen der modernen Rastlosigkeit also wohl noch eine Weile zu schaffen machen – gut möglich auch, dass sie uns Stadt- und Netzneurotikern in Zukunft mehr zu schaffen machen wird denn je zuvor.
Epilog
Wo das Glück zu finden ist
Raus aus dem Hamsterrad, rein ins Leben
Man könnte meinen, die Natur hätte es praktischerweise so für uns eingerichtet, dass dasjenige, was wir wollen und wofür wir uns entscheiden, auch automatisch das ist, was uns guttut. Anders gesagt: dass wir Menschen im Großen und Ganzen Entscheidungen treffen, die uns – letztlich – glücklich machen. Warum sollte es nicht so sein? Warum sollte die Natur so gemein sein und uns eine Neigung für Entscheidungen mit auf dem Weg gegeben haben, die uns ins Verderben führen?
Nun, auch wenn es nicht zum Auftrag der Natur gehört, uns glücklich zu machen, in gewisser Weise hat sie es durchaus gut mit uns gemeint. Wenn unserem Körper Nahrung fehlt, stimmt uns das hungrig, und wir essen. Fehlt uns Wasser, trinken wir etc. Unsere Instinkte sind allerdings nur unter den Voraussetzungen, unter denen sie entstanden sind, einigermaßen narrensicher: in einer Umwelt chronischer Knappheit.
Wir aber haben die chronische Knappheit durch ein chronisches Zuviel ersetzt, womit auch die Logik der Natur aus den Fugen geraten ist. In einer Welt des Überflusses essen (und trinken) wir mitunter mehr und bewegen uns weniger, als uns guttut. Wir rauchen. Wir legen uns auf die Sonnenbank. Wir schlendern gelangweilt durch einen Supermarkt, wo es alles gibt. Und was tun wir? Statt zu den öden Karotten greifen wir beherzt zur Chipstüte. Was unser körperliches Wohl betrifft, treffen wir mit unseren Steinzeitgenen in der Supermarktwelt ganz offensichtlich immer wieder Entscheidungen, die nicht ganz so günstig sind.
Bis zu einem gewissen Grad gilt etwas Ähnliches für unser psychisches Wohlbefinden. Nehmen wir dazu ein einfaches Beispiel, das Ökonomen als »Pendler-Paradox« bezeichnen. Vor die Wahl gestellt, wo wir wohnen sollen, scheinen viele von uns einen universellen Stimmungskiller zu unterschätzen: die tägliche Fahrt zur Arbeit. Kaum etwas ist so nervtötend wie morgens in der Rushhour auf dem Weg ins Büro im zähflüssigen Stau zu stecken und sich Meter für Meter zur Arbeitsstelle vorzukämpfen. Abends gibt’s zur Belohnung das Gleiche noch einmal in die andere Richtung.
Trotzdem vernachlässigen viele von uns diesen
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