Ich weiß nicht, was ich wollen soll: Warum wir uns so schwer entscheiden können und und wo das Glück zu finden ist (German Edition)
Sie befänden sich im Himmel und blickten auf Ihr Leben zurück, das nun für immer vorbei ist – was hätten Sie gern mehr getan, was weniger? Was hätten sie unbedingt tun sollen (und verfluchen jetzt, es nicht getan zu haben)? Wenn Sie jetzt rufen: Verdammt, hätt’ ich bloß mehr Stunden im Büro verbracht!, dann wissen Sie, was zu tun ist. Wenn nicht, wenn Ihnen ein Jugendtraum oder ein konkretes Wagnis vor Augen schwebt, fragen Sie sich doch einmal, was Sie eigentlich davon abhält, dieses Wagnis einzugehen. Natürlich gibt es dafür Gründe, aber sind diese Gründe es wirklich wert?
Geld oder Liebe?
Eine Leistungsgesellschaft belohnt Leistung – und weniger dafür, ob sich jemand um seine Freunde oder Familie kümmert. Vor die Wahl gestellt, ob wir für den Job umziehen und unsere Freunde und Verwandten verlassen sollen, trifft aus Sicht des Bruttoinlandsprodukts derjenige die bessere Entscheidung, der dem Job hinterherzieht.
Würden wir die Sache aus Sicht eines Bruttoglücksprodukts betrachten, würde sie sich anders und nicht ganz so einfach darstellen. Aus der Perspektive des Glücks spielen sowohl eine spannende Arbeit als auch Freundschaften und Familie eine entscheidende Rolle. Kann uns die Wissenschaft sagen, welche dieser Glücksquellen am wichtigen ist?
Die Antwort lautet: nein und ja. Nein, weil jeder selbst herausfinden muss, wo seine Prioritäten liegen, und je nach Lebensphase verschieben sich diese Prioritäten ja auch.
Das heißt jedoch nicht, dass die Wissenschaft uns in der Hinsicht überhaupt nichts mitzuteilen hätte. Wie wir gesehen haben, hat in Deutschland die Zufriedenheit in den letzten Jahrzehnten nachgelassen, was bedeutet, dass bei uns das Glück im Schnitt gesunken ist. Aber wie ja eigentlich nicht anders zu erwarten und wie neue Analysen bestätigen, gibt es auch bei uns einige Zeitgenossen, die in Sachen Glück ziemlich gut abschneiden.
Mehr noch, wie sich herausstellt, gibt es hierzulande eine beachtliche Zahl von Leuten, deren Lebenszufriedenheit in den letzten Jahren, entgegen dem allgemeinen Miesepetertrend, geradezu gewachsen ist (so hat etwa sechs Prozent der Bevölkerung in den vergangenen zwanzig Jahren auf einer Glücksskala von 0 bis 10 immerhin zwei Punkte oder noch mehr zugelegt). Da aber die Gruppe jener Miesepeter, die im gleichen Zeitraum deutlich unzufriedener geworden sind, weitaus größer ist (13 Prozent der Bevölkerung), geht die glückliche Ausnahmegruppe im statistischen Durchschnittsbrei unter. [158]
Der Befund wirft eine interessante Frage auf: Wie unterscheiden sich die Glückspilze eigentlich von den Unglücksraben? Um es herauszufinden, hat man kürzlich einen genaueren Blick auf die Daten des »Sozio-ökonomischen Panels«, SOEP, geworfen. Beim SOEP handelt es sich um eine der weltweit umfangreichsten Langzeitstudien ihrer Art. Seit Anfang der 1980er Jahre ist in Deutschland ein Ermittlerteam unterwegs, um unseren Befindlichkeiten auf den Grund zu gehen. Allein 2010 waren mehr als 500 Interviewer in 11 500 deutschen Haushalten zu Besuch, um dort die unterschiedlichsten Informationen über 24 225 Menschen zu sammeln. [159]
Falls möglich, werden beim SOEP jedes Jahr dieselben Menschen befragt, etwa nach ihrer Lebenszufriedenheit, aber zum Beispiel auch nach ihren Lebenszielen. Diese Ziele lassen sich in drei Hauptkategorien zusammenfassen: »Familie«, »Soziales« sowie »Geld und Karriere«. Manche von uns legen eben besonders viel Wert auf ihre Partnerschaft, auf eine Ehe und Kinder (und punkten so bei der Lebenszielkategorie »Familie«). Anderen sind ihre Freundschaften hochgradig wichtig (Kategorie »Soziales«, zu der auch das Bedürfnis gehört, seinen Mitmenschen helfen zu wollen, sowie soziales und politisches Engagement). Und wieder anderen geht es im Leben in hohem Maße darum, dass sie sich Sachen kaufen können, dass sie ihr Potential verwirklichen und beruflichen Erfolg haben (Kategorie »Geld/Karriere« bzw. persönlicher Erfolg).
Wie die Auswertung der SOEP-Daten zeigt, hängt unser Glück messbar davon ab, auf welchen dieser drei Lebensbereiche wir unsere höchste Priorität setzen. Wer ausgesprochen viel Wert auf Freundschaften, Ehe und Familie legt, darf, wie sich herausstellt, mit einem Glücksbonus rechnen. Diese Menschen werden auch mit den Jahren immer zufriedener. Konsequente Karrieremenschen dagegen neigen im Vergleich dazu zu chronischer Unzufriedenheit. (Weiterer, aufschlussreicher Befund: Die
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