Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast
Rückenlehne des Sitzes fielen und bei jeder Kurve hin- und herschwangen.
Abgesehen davon gab es nicht viel, woran er sich erinnerte, weil er fast die ganze Fahrt über auf der Rückbank mit Julie geknutscht hatte. Sie waren zwar in seinem Wagen unterwegs gewesen, aber wie immer hatten er und Barry eine Münze geworfen, um zu entscheiden, wer hinten sitzen durfte, und diesmal hatte er gewonnen. Julie hatte in seinen Armen gelegen, und sie hatte ein eng anliegendes rosa Oberteil getragen, das ein wenig nach oben gerutscht war und ihren flachen Bauch entblößte.
Während sie sich selbstvergessen geküsst hatten, hatte Helen plötzlich aufgeschrien, und sie waren erschrocken zusammengezuckt. Es war kaum Zeit gewesen, irgendetwas zu erkennen, als es auch schon passierte – ein Fahrrad im Scheinwerferlicht, der Rücken eines Jungen in einem gestreiften T-Shirt, ein dumpfer Aufprall, ein knirschendes Geräusch und dann war der Wagen wieder gleichmäßig gefahren.
»Oh mein Gott!«, hatte Julie neben ihm geflüstert. »Wir haben ihn überfahren!«
Ray hatte versucht zu antworten, jedoch keinen Ton herausgebracht. Er realisierte, dass sie nicht angehalten hatten, sondern immer noch fuhren und sogar immer schneller wurden. So schnell, dass Julie in der nächsten Kurve gegen ihn geschleudert wurde. Sie klammerte sich an ihm fest und flüsterte immer wieder: »Ray. Wir haben ihn überfahren.«
»Dreh um, Barry!«, rief Ray, als er schließlich aus seiner Schockstarre erwachte. »Wir müssen zurück!«
»Zurück?« Barry warf ihm einen kurzen Blick über die Schulter zu. »Was soll das bringen?«
Neben ihm wurde Helen von heftigen Schluchzern geschüttelt.
Julie beugte sich vor. »Das war ein kleiner Junge! Wir müssen ihm helfen!«
»Wie denn? Wir sind keine Ärzte und könnten sowieso nichts für ihn tun.« Barry hatte das Tempo mittlerweile wieder etwas gedrosselt. »Sobald wir in der Stadt sind, rufen wir einen Krankenwagen. Damit helfen wir ihm am sinnvollsten.«
»So lange dürfen wir nicht warten«, widersprach Ray. »Ich rufe sofort einen.«
»Nein«, hielt Barry ihn mit fester Stimme zurück. »Warte damit, bis wir auf dem Freeway sind.«
Ray hatte wie erstarrt dagesessen und gewartet, genau wie Barry es ihm befohlen hatte – ein unverzeihlicher Fehler, wie er heute wusste. Es waren ganze zehn Minuten vergangen, bis er endlich 911 wählte.
»Ich möchte einen Unfall melden«, hatte er verzweifelt gerufen. »Auf der Mountain Road, südlich von Silver Springs. Kurz vor der Abzweigung zur 301. Wir haben ein Kind auf einem Fahrrad angefahren.«
»Geben Sie mir bitte Ihren Namen«, hatte die Frau am anderen Ende der Leitung ihn aufgefordert.
Aber kaum hatte er »Ich heiße …« gesagt, hatte Barry aufgebracht die Hand vor den Hörer gehoben und gezischt: »Hast du sie noch alle? Leg gefälligst sofort auf!« Und wieder hatte Ray gehorcht und das Gespräch unterbrochen.
»Es reicht doch, dass du ihnen gesagt hast, wo der Unfall passiert ist«, fuhr Barry in ruhigerem Ton fort. »In ein paar Minuten ist ein Krankenwagen dort. Was bringt es irgendwem, wenn die unsere Namen kennen?«
»Die erfahren sie doch sowieso, wenn wir zurückfahren …« Und da fing Ray plötzlich an zu verstehen. »Wir fahren gar nicht zurück, oder?«
»Wozu?«
»Weil es unsere Pflicht ist, verdammt noch mal!«
»Wir sind zu gar nichts verpflichtet«, entgegnete Barry kühl.
Helen hatte aufgehört zu weinen. Julie schwieg. Sie wirkte leblos wie ein Zombie. Die Gesichter der beiden Mädchen lagen im Dunkeln.
»Habt ihr gehört?«, fuhr Ray, an Julie und Helen gewandt, fort, da keine von ihnen mitbekommen zu haben schien, was Barry gesagt hatte. »Barry will nicht zurückfahren.«
»Ich auch nicht«, antwortete Helen. »Aber wir müssen, oder? Oh Gott. Ich will nicht zurück und sehen … sehen, was wir getan haben.« Sie holte zitternd Luft und begann wieder, leise zu weinen.
»Hier geht es nicht darum, was wir wollen«, sagte Julie tonlos. »Wir müssen umdrehen. Das ist Fahrerflucht, was wir hier machen.«
»Du hast gut reden.« Barry wechselte auf die äußerste linke Spur, sorgfältig darauf bedacht, das Tempolimit einzuhalten. »Was glaubst du, wer wegen fahrlässiger Tötung dran ist, wenn das Kind stirbt? Ich bin gefahren, nicht du. Und ich bin der Einzige in diesem Wagen, der nicht mehr unter das Jugendstrafrecht fällt.«
»Stimmt«, sagte Ray. »Du bist schon achtzehn.«
»Verdammt richtig. Ich würde wie ein
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