Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast
Portemonnaie aus der Gesäßtasche seiner Hose, öffnete es, nahm den zusammengefalteten Zeitungs ausschnitt heraus und reichte ihn Julie.
Sie warf einen kurzen Blick darauf und gab ihn ihm zurück. »Ich brauche ihn nicht zu lesen, Ray. Ich kenne jedes Wort davon auswendig.«
»Was ist eigentlich mit Helen? Hat sie auch so etwas bekommen?«
»Nicht mit der Post«, sagte Julie leise. »Ich habe am Sonntag mit ihr telefoniert. Sie hat gedacht, dass Barry ihr vielleicht einen Streich spielen wollte.«
»Wieso? Was ist passiert?«
»Es war eine aus einer Zeitschrift herausgerissene Anzeige«, antwortete Julie. »Sie klebte an der Tür zu ihrem Apartment. Helen hat mir erzählt, sie hätte mit einem neuen Nachbarn, der zwei Türen weiter wohnt, unten am Pool gesessen und sich eine Weile mit ihm unterhalten und sei dann irgendwann reingegangen, weil sie Angst hatte, einen Sonnenbrand zu bekommen. Als sie vor ihrer Tür ankam, sah sie, dass jemand die Anzeige mit dem Foto von einem Jungen auf einem Fahrrad an ihre Tür geklebt hatte. Ihr erster Gedanke war, dass Barry vielleicht spontan vorbeigekommen sei und ihr einen kleinen Denkzettel verpassen wollte, weil er sie mit dem anderen Typen am Pool gesehen hat.«
»Das klingt nicht nach Barry«, meinte Ray. »Außerdem lässt er selbst nichts anbrennen und hätte gar kein Recht, eifersüchtig zu sein.«
»Aber das weiß Helen nicht. Sie ist Barry total treu. Und dass er theoretisch kein Recht hat, eifersüchtig zu sein, heißt noch lange nicht, dass er es nicht trotzdem ist.« Julie schwieg einen Moment nachdenklich, bevor sie fortfuhr. »Ich gebe ja zu, dass Helens Theorie ziemlich unwahrscheinlich klingt, aber wer weiß? Jedenfalls wollte sie Barry später anrufen und ihn danach fragen.«
»Meinst du, er ist deswegen auf die Sportanlage gegangen?«, fragte Ray nachdenklich. »Weil Helen ihn angerufen und dort hinbestellt hat?«
»Könnte sein. Heute Morgen stand in der Zeitung, dass er einen Anruf erhalten hat, kurz bevor er das Studentenwohnheim verließ.«
»Und danach wurde auf ihn geschossen …«
»Du glaubst doch nicht etwa, dass Helen …« Julie sah ihn entsetzt an. »Das ist vollkommen lächerlich! Helen betet den Boden an, den Barrys Füße berühren.«
»Natürlich glaube ich nicht, dass Helen auf ihn geschossen hat«, sagte Ray beschwichtigend. »Sie würde nie eine Waffe in die Hand nehmen, geschweige denn, den Abzug drücken, und sie ist verrückt nach Barry. Ich habe bloß laut nachgedacht und versuche das, was passiert ist, von allen Seiten zu betrachten.«
»Wenn es nicht Helen war«, nahm Julie den Faden auf, »dann war es jemand anders. Wir wissen ja alle, dass Barry es mit der Treue nicht besonders genau nimmt. Vielleicht hat er etwas mit einem Mädchen aus der Uni angefangen, die einen eifersüchtigen Freund hat? Oder er ist rein zufällig irgendeinem Freak über den Weg gelaufen, der eine Knarre dabeihatte und völlig willkürlich durch die Gegend ballerte. Wäre nicht das erste Mal, dass so etwas passiert.«
»Möglich«, gab Ray zu. »Aber komisch ist es schon, dass das ausgerechnet passiert, nachdem wir diese Nachrichten bekommen haben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Barry rein zufällig angeschossen wurde. Immerhin war er derjenige, der in dieser Nacht am Steuer saß.«
»Und er ist der Einzige, der keine anonyme Botschaft bekommen hat. Jedenfalls hat er nichts davon erzählt.«
»Dafür hat er eine Kugel abbekommen«, bemerkte Ray.
Die Worte hingen zwischen ihnen in der Luft und standen in scharfem Kontrast zu der milden Frühlingssonne.
Julie schauderte. »Okay«, sagte sie schließlich leise. »Nehmen wir also an, dass die Person, die auf Barry geschossen hat, dieselbe ist, die uns die Nachrichten geschickt hat. Jemand, der von dem Unfall weiß – oder etwas darüber zu wissen glaubt. Aber warum hat dieser Jemand dann so lange gewartet? Und warum sollte er so etwas tun, statt einfach zur Polizei zu gehen und uns anzuzeigen?«
Ray schüttelte den Kopf. »Ich habe keine Ahnung, warum er so lange damit gewartet hat. Aber dass er uns nicht einfach anzeigt, kann eigentlich nur einen Grund haben – Rache. Sein Hass auf uns muss so groß sein, dass er uns lieber tötet, statt uns vor Gericht zu bringen, wo wir wesentlich milder bestraft werden würden.«
»Wer könnte so sehr hassen?«, fragte Julie mit zitternder Stimme.
»Alle, die dem Jungen nahestanden, schätze ich.«
»Seine Eltern?«
»Jedenfalls weiß ich genau,
Weitere Kostenlose Bücher