Ich weiss, wie du tickst: Wie man Menschen durchschaut (German Edition)
liegt ein solches Muster zugrunde. Die Verantwortung für eigenes Tun wird auf den Partner übertragen. Wichtig ist es, sich solche Rollen bewusst zu machen, um nicht darin gefangen zu bleiben.
Rollenspiele werden immer von dem Persönlichkeitsanteil aus inszeniert, in dem der Spieler besonders stark ist, und zwar in der unbewussten Absicht, ein Defizit zu verbergen und damit der Weiterent-wicklungderPersönlichkeitauszuweichen. Denn Defizite sind immer Hinweise auf das Potenzial eines Menschen, das er entwickeln könnte.
Die Grundtypen des Rollenspiels liegen in den drei Funktionen: Opfer (= Kehrseite des Täters), Retter und Verfolger. Das Opfer fühlt sich leidend und sucht Mitleid, Hilfe, Zuspruch und Trost. Es dokumentiert, wie sehr es unter der Schlechtigkeit der Welt, dem Unwillen des Schicksals oder dem Verhalten eines anderen zu leiden hat, bleibt jedoch passiv und unternimmt nichts, so dass es darum zugleich auch Täter ist.
Der Verfolger ist der Angreifer, der den Kampf sucht. Perfektionismus, Raffgier, Neid, Misstrauen, Hartherzigkeit und Sturheit, übersteigerter Ehrgeiz und Rastlosigkeit sind Erscheinungsformen, die von Ferne betrachtet oft als positive Eigenschaften erscheinen. Sie werden manchmal «kaufmännisches Geschick», «Konsequenz», «Cleverness» oder «Beweglichkeit» genannt. Maßstab für seinen Erfolg sind für den Angreifer die Zahl der hinter oder unter ihm zurückgebliebenen Opfer. Mottos wie «Viel Feind, viel Ehr» oder «Nur die Besten überleben» stehen auf seinem Banner. Bekannt ist die Rolle des Despoten oder Diktators, der selbst voller Angst, Misstrauen und Minderwertigkeit steckt. Hinter seiner meisterhaft gespielten Rolle verbirgt er, dass er selbst Opfer ist. Jeder von uns ist gelegentlich ein Verfolger, meist ungewollt, indem wir beispielsweise unseren Mitmenschen zu wenig Beachtung schenken. Oft dient die Rolle aber auch als Ausgleichsfunktion, wenn wir uns vorher selbst als Opfer fühlten und nun zum Angriff übergehen, um uns unbewusst Erfolgserlebnisse zu verschaffen.
Franziska besucht regelmäßig Inge, die nach einem Unfall leicht gehbehindert ist und darum Schwierigkeiten hat, ihren Haushalt allein zu führen. Franziska räumt auf, wäscht und bügelt, kocht, friert ein und bringt den Garten in Ordnung, und das alles dreimal wöchentlich. Sie opfert sich für ihre Freundin auf, denn Inge macht ihr immer wieder klar, dass sie mit all dem überfordert wäre. Was Inge jedoch nicht sagt, ist, dass sie schon seit Monaten ihre Geh-Übungen vernachlässigt und nicht mehr daran arbeitet, ihre frühere körperliche Leistungsfähigkeit wiederherzustellen. Und solange Franziska ihr alles abnimmt, sieht sie auch keine Notwendigkeit darin, denn es ist ja bequem für sie. Franziska freut sich über die Zuwendung von Inge, während sie ihr den Haushalt führt. Sie genießt Lob und Anerkennung, merkt aber nicht, dass sie mit ihrem Retterspiel die Selbstständigkeit von Inge weiter hinauszögert .
Als Retter treten Menschen auf, die an einem «Helfersyndrom» leiden, was am häufigsten bei Gründominanten der Fall ist. Der Helfer steht scheinbar über den Dingen, beruft sich auf seine Neutralität oder Erfahrung, versteht sich als Schlichter, Tröster oder Verstehender und bietet Schutz, Sicherheit und Hilfe. «Chronische Retter» sind 24 Stunden am Tag erreichbar, erledigen klaglos Behörden- und Bittgänge, zahlen Schulden und leisten Bürgschaften. Sie übersehen dabei, dass sie damit selbst zum Opfer werden und dass sie die Bequemlichkeit des Opfers unterstützen, ohne dessen Probleme zu lösen. Das Motiv, Retter zu spielen, liegt häufig darin, in dieser Rolle als lieb, teuer und unersetzlich zu dienen und anerkannt zu werden. In Wirklichkeit leidet der Retter unter zu wenig Liebe, Lob und Anerkennung. Manchmal tritt ein Verfolger als vermeintlicher Retter auf, wenn er mit Strenge, Macht und Brutalität seiner Umwelt diktiert, wie sie sich zu verhalten hat, um ein Problem zu lösen. Als Retter getarnte Verfolger geben sich manchmal nach außen selbstlos, haben unbewusst oft nur den eigenen Nutzen im Sinn.
Das Spiel des Verfolgers, der sich als Retter gibt, können Sie gut in der Politik beobachten, wo es sehr häufig gespielt wird: Eine schwierige politische Situation wird von einem vermeintlichen Retter dazu genutzt, um mit Strenge durchzugreifen – angeblich in der Absicht, die Stabilität und Ordnung wiederherzustellen. Einmal an der Macht, wird der Retter dann zum
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