Ich werde dich so glücklich machen: Roman (German Edition)
Büchern und Zeitschriften hob, um sie zu entdecken. Sie ging ins Wohnzimmer und stemmte die Hände in die Hüften.
»Was willst du also zum Kaffee?«
»Schokoladenkuchen.«
»Haben wir nicht.«
»Waffeln?«
»Soll ich etwa jetzt noch Waffeln backen? Ich hab keine Lust, mitten in der Woche das Waffeleisen herauszuschleppen.«
»Du warst total begeistert, als du es bekommen hast.«
»Ja, aber es riecht immer so stark. Ich kann Milchkuchen machen. Die Bratpfanne qualmt nicht so sehr.«
»Du mit deinen Milchkuchen. Das sind doch ganz normale Pfannkuchen.«
»Pfannkuchen sind dicker. Willst du welche? Dann kann
Rickard den Rest zum Abendbrot haben. Ich habe keine Blaubeeren, aber ich habe Erdbeermarmelade.«
»Schon gut, schon gut. Und vergiss nicht die Kiste mit den Gravensteiner Äpfeln, die in der Diele steht. Ich hab keine Lust, die wieder mit zur Arbeit zu nehmen.«
»Ich werde später Apfelkompott kochen. Was liest du da?«
»Etwas über das Erdbeben in San Francisco. Stell dir vor, das Hauptbeben hat siebenundvierzig Sekunden gedauert! Das ist lange, wenn die Erde sich bewegt. Sie haben es noch in Nevada gemerkt. Und die ganze Stadt hat gebrannt! Verdammt, die mussten ganze Blocks sprengen, damit die Flammen sich nicht weiter ausbreiteten.«
»Nicht fluchen. Wann war das denn überhaupt?«
»1906. Um diese Zeit.«
»Ich mach mich jetzt an die Treppe. Und du kannst den Aschenbecher ausleeren, bevor der noch überläuft.«
Herr Rudolf schlug den Pfeifenkopf vorsichtig am Rand des Aschenbechers aus und zog zerstreut einen Pfeifenreiniger aus der Packung, die im Zeitungsfach unter dem Tisch lag. Er las weiter Reader’s Digest und reinigte dabei gründlich seine Pfeife. Zweihundertfünfundzwanzigtausend Menschen waren obdachlos geworden, er fragte sich, was um diese Jahreszeit in San Francisco wohl für Wetter war. Fünfhundert Straßenzüge waren verbrannt, was musste das für ein Inferno gewesen sein, als die Erde sich bewegte, während zugleich alles brannte, während sich mitten in den Straßen riesige Abgründe auftaten und ins Erdinnere hineinklafften. Aber da es am frühen Morgen passiert war, waren immerhin die Familien zusammen und hatten einander im Blick. Wenn es mitten am Tag passiert wäre, wäre das Chaos viel größer gewesen, mit Vätern bei der Arbeit und Kindern in der Schule und womöglich noch größerer Panik.
Rickard ließ in seinem Zimmer die Musik wieder viel zu laut laufen, es war nur eine Frage der Zeit, bis die Nachbarn sich beschweren würden. Rickard war der einzige Teenager im Treppenhaus und damit der perfekte Sündenbock. In der Hausordnung stand nichts über Musik, nur über »unnötigen Lärm«, aber wenn überhaupt etwas in die Kategorie »unnötiger Lärm« fiel, dann ja wohl Rickards Musik. Bohren und Hämmern gegen die Mauern wäre um einiges besser gewesen. Aber er machte sich doch nicht so große Sorgen wie Karin. Jugend war eben Jugend. Karin verdarb sich den Schlaf mit ihren Illustrierten, in denen die Mütter sich gegenseitig mit Schreckensbildern aufstachelten, als ob alle diese blöden Musikgruppen aus England ganz allein ein neues Armageddon verursachen könnten. Das war doch Wahnsinn und Weiberhysterie.
Es würde natürlich vorübergehen wie alles andere. Rickard hatte zudem auch gesunde Interessen, Briefmarken und Modellflugzeuge, auch wenn Herr Rudolf in dieser Richtung nun schon länger keine Aktivitäten mehr registriert hatte. Aber es war sicher typisch für Mütter, sich unnötig zu ängstigen, und da blieb ihm wohl nichts anderes übrig, als ihr nach dem Mund zu reden.
Am Brand waren die Gasleitungen schuld gewesen, Gas! Was für eine Vorstellung, mit Gas zu kochen, eine ganze Stadt voller Gasleitungen, das war doch der pure Irrsinn. Strom war zehntausend Mal sicherer, natürlich konnte auch Elektrizität zu einem Brand führen, wenn die Anlage alt oder falsch montiert war. Aber eine Stadt voller Gas, das war doch eine tickende Zeitbombe, Erdbeben hin oder her. Außerdem begingen Amerikaner und Engländer Selbstmord, indem sie den Kopf in den Backofen steckten. Das wäre ja noch schöner, wenn man auch hierzulande damit anfinge. Die Köpfe würden braungebraten sein, noch bevor das Leben ein Ende nähme, bei dieser Vorstellung musste
er fast ein wenig lachen. Er füllte die Pfeife mit frischem Tabak, stand auf und kippte den Inhalt des Aschenbechers in den Kamin, steckte die Pfeife an und ging zu Rickard hinüber.
»Leiser«, sagte er und
Weitere Kostenlose Bücher