Ich werde dich so glücklich machen: Roman (German Edition)
viel zu dünn angezogen.
»Kommst du?«
»Ja, klar.«
Sie würde ihr nachher mehr anziehen müssen.
Kartoffelschälen gefiel ihr. Seit Neuestem musste sie dazu nicht mehr auf einen Küchenstuhl klettern, die Mutter meinte, sie sei jetzt groß genug, aber schon nach zwei Kartoffeln taten ihr die Arme weh. Doch wenn sie auf einem Küchenstuhl stand, konnte sie jetzt fast nicht mehr zu den Kartoffeln hinunterreichen.
»Was hast du denn gerade gemacht?«
»Mit Barbie gespielt.«
»Und Ken?«
»Mit ihm weniger. Der ist ein bisschen langweilig.«
»Vielleicht kennst du ihn einfach noch nicht gut genug«, sagte die Mutter.
»Ich weiß irgendwie nicht, was solche Männer machen.«
»Die sind vielleicht ein Paar?«
»Nein. Dann wäre er doch ihr Mann, und das habe ich nicht gehört. Das hat niemand in der Schule gesagt. Die sind einfach nur Freunde.«
»Vielleicht macht er das Gleiche wie dein Vater?«
»Wohnblocks bauen?«
»Ja? Geht zur Arbeit und verdient Geld und kommt danach zu Barbie nach Hause?«
»Aber das ist langweilig. Das will ich nicht spielen.«
»Du kannst danach übrigens ein Kleid anprobieren, ein Sommerkleid.«
Sie nickte. Sie wusste, dass sie ein neues Kleid bekommen würde. Die Mutter fuhr oft in die Stadt und machte etwas, das eigentlich ein bisschen geheim war, sie durfte es niemandem erzählen. Die Mutter kaufte nämlich Kleider auf eine nicht-ganzrichtige Weise, das hieß »Deponieren«. Sie bezahlte ganz normal und unterschrieb einen Zettel, auf dem stand, dass sie für die Kleider deponierte, weil sie zuerst feststellen müsste, ob die ihrer Tochter oder ihrem Mann wirklich passten. Das taten sie fast immer, die Mutter hatte einen sehr guten Blick für die Größen. Dann nahm sie Decke und Blumen vom Küchentisch und breitete große Bogen darauf aus, zeichnete alles genau ab und notierte hier und dort alle möglichen Zahlen über Reißverschlüsse und kleine Nähte, die den Stoff zusammenzogen, wo die Knöpfe sitzen sollten und wo das Futter anfing und aufhörte, wenn es sich zum Beispiel um Winterkleider handelte. Am nächsten Tag ging sie wieder in den Laden und sagte, leider habe es doch nicht gepasst, und dann bekam sie das ganze Geld zurück, weil sie ja nur deponiert hatte.
»Jetzt musst du dir aber die Nase putzen«, sagte die Mutter. »Sonst tropft es auf die Kartoffeln. Hier hast du ein bisschen Linella.«
Die Mutter hatte für diesen Zweck immer eine Rolle Linella in der Küche liegen.
Sie hatte das Naseputzen so satt. Es hörte nie auf, und ihre Augen brannten und ihre Nase auch. Im Winter war es ein bisschen besser, aber nicht ganz. Sie grauste sich vor Frühling und Sommer, dann war es am allerschlimmsten. Ab und zu hielt sie sich von morgens an die Hände vor die Augen wie eine Blinde,
um nicht das scharfe Licht zu sehen und so schrecklich zu niesen. Eine Lehrerin in der Schule hatte gesagt, sie leide vielleicht an einer »Allergie«. Das war ein seltsames Wort, irgendwie nichts, was man hatte, sondern was man in einer hübschen Schachtel kaufte. Es war die Lehrerin, die fast so jung war wie die ältesten Mädchen, die sie im Block kannte. Sie hatte ihrer Mutter nichts von diesem seltsamen Wort gesagt. All. Er. Gie. Das konnte doch einfach nichts mit dem vielen Rotz zu tun haben.
Sie schälte sieben Kartoffeln. Vier für den Vater, zwei für die Mutter und eine für sich. Ihre Arme brannten.
»Und jetzt kannst du decken«, sagte die Mutter.
Sie wischte sich die Hände lange am Geschirrtuch ab und musterte dabei ihre Finger. Wenn sie erwachsen war, würde sie Nagellack benutzen. Ihre Mutter tat das nicht. Nur Peggy-Anita aus dem dritten Stock lackierte sich die Nägel. Auch an den Zehen. Und Susys Mutter machte es auch ab und zu an den Zehen, das hatte sie im Sommer gesehen. Es sah so unglaublich schön aus.
»Nehmen wir Servietten?«
»Nein, ich glaube, die brauchen wir heute nicht. Wir müssen sie ein wenig schonen.«
»Wir können doch Klopapier nehmen?«
»Aber Irene!«
»Das ist doch so schön!«
»Aber es war auf dem Klo, mein Schatz.«
»Wenn du nächstes Mal welches kaufst, kannst du eine Rolle nur für die Küche nehmen«
»Nein, weißt du, was …«
»Ich finde, das können wir!«
Früher war das Klopapier immer nur weiß gewesen, aber jetzt
gab es eine neue Papiersorte in allerlei Pastellfarben – hellblau und rosa und hellgrün. Nicht gelb, das hätte sicher zu sehr wie Pipi ausgesehen. Im Moment benutzten sie hellblaues, nächstes Mal
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