Ich werde dich so glücklich machen: Roman (German Edition)
wäre es wieder rosa Papier. Dann würde sie ein wenig davon nehmen, Barbies Kleider darin einwickeln und sie als ordentlichen Stapel in den Schuhkarton legen. Wenn man teure Kleider kaufte, waren die nämlich immer in Papier eingeschlagen, wie das schrecklich teure Kleid, für das ihre Mutter einmal deponiert hatte, weil sie zu einer Hochzeit eingeladen waren.
»Ich finde, die Seife im Badezimmer sollte dieselbe Farbe haben wie das Klopapier, Mama. Die ganze Zeit.«
»Das geht nicht. Wir brauchen eine Rolle Klopapier viel schneller auf als ein Stück Seife.«
»Wir können wechseln! Das Seifenstück mit der falschen Farbe wegnehmen, wenn du neues Klopapier kaufst, und die richtige Farbe hinlegen, und dann wieder umtauschen, wenn die Farbe wieder richtig ist.«
»Meine Herren die Lerche, was du dir alles so ausdenkst, Irene.«
»Was gibt es zu Mittag?«
»Blutpudding mit Speck und Sirup.«
Sie schnitt den Blutpudding in Scheiben, summte zur Musik im Radio und merkte, wie glücklich sie war. Wenn sie in den Illustrierten darüber las, wie grauenhaft unglücklich manche Frauen waren, fragte sie sich oft – und ab und zu auch Holger –, wie es möglich sein konnte, dass sie so glücklich war. »Sicher, weil wir kein Plumpsklo mehr haben«, meinte er dann.
Er hatte nicht ganz unrecht. Sie liebte diese Wohnung, liebte die Ruhe, die darin lag, dass alles funktionierte – das Wasser in den Hähnen, die Dusche, das Wasserklosett, die Heizkörper, die sauberen Wände und die Wohnzimmerdecke ohne Risse in altem
Gebälk, der kleine Balkon, der nur ihnen gehörte und auf dem sie im Frühling und Sommer ungesehen sitzen und sich sonnen konnte, ohne gestört zu werden.
Sie konnte sich noch gut an das Herzklopfen erinnern, das sie Tag und Nacht gequält hatte, als sie ein Darlehen für die Kaution bei der Wohnungsgenossenschaft aufgenommen und zu Hause bei ihren Eltern auf dem Hof die Kartons gepackt hatten, während die Mutter die ganze Zeit in ein Taschentuch geschluchzt hatte, weil sie »ihr das einzige Enkelkind entreißen wollten«. Wenn sie zu Besuch nach Innerøya fuhren, fiel ihr manchmal auf, wie schwer die Mutter arbeiten musste in ihrer alten Küche, in der das Ausgussbecken weit von der Anrichte entfernt war und eine Zinkbütte zum Spülen diente, die vorsichtig durch den großen Raum getragen werden musste, um das schmutzige Wasser auszugießen. Die Wasserleitungen waren oft verstopft, das Wasser gefror bei Minusgraden, und egal wie sehr sie im Winter auch einheizten, es wurde nie richtig warm, wenn man nicht genau im richtigen Winkel zum Holzofen stand. Die Wärme schien an die Decke zu steigen, sich dort niederzulassen und keine der Ecken aufsuchen zu wollen.
Hier heizten sie für ein Stündchen mit Koks ein, dann war das Zimmer glühend heiß, und in allen Zimmern funktionierten die Heizkörper. Außerdem wohnten sie im zweiten Stock rechts und hatten auf allen Seiten Wohnungen, die sie wärmten. Den ganzen Winter lang brauchten sie die Heizkörper so gut wie nie voll aufzudrehen.
Und dann war da eben das Klo. Holger hatte es schrecklich gefunden, den ganzen Weg zum Plumpsklo in der Scheune laufen zu müssen. Sie auch. Aber da sie dort aufgewachsen war, glaubte sie, nicht zu viel kritisieren zu dürfen, ohne gleichzeitig das Gefühl zu haben, ihre Eltern zu verletzen. Und sie hatten
dort ja auch umsonst gewohnt, bis Holger seinen Meister gemacht hatte. Anders hätten sie sich vor zwei Jahren niemals diese nagelneue Wohnung leisten können. Das hätte ihr vor drei Jahren mal jemand sagen sollen, dass sie an einem Küchentisch mit zwei Waschbecken aus poliertem Stahl Essen zubereiten würde. Ein Waschbecken zum Spülen und ein tieferes, das als Ausgussbecken fungierte, mit einer Mischbatterie, die sie von einem Becken zum anderen drehen konnte, mit Leitungen, die nie verstopft waren, einem Herd gleich daneben und einer Toilette aus weißem Porzellan nur wenige Schritte weiter und im selben Haus.
Als die Eltern das bisher einzige Mal zu Besuch gekommen waren, hatte die Mutter auf dem Klo nicht abgezogen. Wenn man an ein Plumpsklo gewöhnt war, klappte man einfach den Deckel herunter. Holger hatte das erzählt, nachdem er die Eltern zum Bahnhof gefahren hatte. Er hatte herzlich gelacht, sie selbst hätte weinen mögen. Es war nicht richtig, dass eine Tochter es besser hatte als ihre Eltern.
Sie hatte schon Stoff für das Kleid gekauft und konnte also noch am selben Abend damit anfangen, darauf freute
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