Ich werde dich so glücklich machen: Roman (German Edition)
sie sich. Die Abende waren so ruhig und schön, das Radio lief leise, sie selbst nähte oder machte eine andere Handarbeit, Holger war mit seinen Buddelschiffen beschäftigt, und immer hatten sie heißen Kaffee in der neuen Thermoskanne, die sie sich gegenseitig zu Weihnachten geschenkt hatten.
Diese schönen Abende erinnerten sie an früher, an das Leben auf den Höfen, als nach Anbruch der Dämmerstunde im Herbst und Winter die ganze Familie in der Stube saß und beschäftigt war – die Frauen mit der Spindel oder dem Stopfpilz, die Männer mit dem Schnitzmesser oder kleinen Reparaturen an Schuhen und Werkzeug – und leise Gespräche, die Ruhe und der
Zusammenhalt um die Arbeit alle vereinten. Die Mutter sprach oft darüber, wie sehr sie jene Zeit vermisste. Als sie klein war, durfte sie sich an solchen Abenden in das Ausziehbett in der Stube legen, um später, wenn alle schlafen gingen, in ihr eigenes Bett nach oben getragen zu werden. Sie erinnerte sich an die schöne Geborgenheit, wenn sie zum Geräusch der Spindel und der Stimmen und der knackenden und zischenden Holzscheite eingeschlafen war.
Jetzt saß die Mutter abends mit dem Vater vor dem Fernseher, das war unendlich traurig. Ein Fernseher kostete so viel wie ein Wasserklosett oder eine richtige Einbauküche, da war sie sich ganz sicher. Dennoch hatte der Vater den Fernseher durchgesetzt, weil auch auf dem Nachbarhof einer angeschafft worden war. Er dachte gar nicht an die schwere Arbeit, die seine Frau in der Küche leisten musste, und offenbar dachte er auch nicht an das Alter, in dem es für sie beide doch lieber ein wenig leichter sein sollte.
Holger und sie hatten beschlossen, keinen Fernseher zu kaufen, sie glaubten nicht, sich das leisten zu können, sie hatten ein Radio, das musste ja wohl reichen. Sie hatte keine Ahnung, wie viele hier im Haus Fernsehen hatten. Aber es war ja so hellhörig, das war der einzige Nachteil an der Wohnung. Viel Gerede, Gerufe und Gelächter von Larsens unter ihnen, Getrampel von Karlsens über ihnen und unangenehmer Krach aus der Sozialwohnung im Aufgang B. Obwohl die im Erdgeschoss lag, war der Krach bis hier oben zu hören. Die waren nicht gerade vertrauenerweckend, diese Leute da unten.
»Neunzig… neunzig… fünfundneunzig! Jetzt kommt Papa!«, sagte Irene, die immer beobachtete, wann unten auf der Straße der Bus kam, und dann bis fünfundneunzig zählte, ehe er um die Ecke beim Altersheim fuhr.
»Wie gut«, sagte sie. »Denn jetzt ist das Essen fertig.«
Es war gut zu wissen, dass er nur jede zweite Treppenstufe nehmen musste, leicht wie ein Vogel, wenn er die schwere Haustür aufgezogen hatte, und dann würde er zu Hause sein. Wenn er nach dem Sonntagsspaziergang oder dem Großeinkauf mit Sidsel die Treppen hochstieg, ging er immer langsam und bedächtig in ihrem ruhigen Tempo, ihr ganz angepasst. Aber allein flog er nur so, lautlos, nicht lärmend wie Herr Berg von gegenüber oder Herr Karlsen über ihnen, Gott behüte. Nein, er streifte die Stufen nur und freute sich unsäglich darauf, zu Sidsel und Irene nach Hause zu kommen, und nicht zuletzt auf die Wohnung. Wohnung , was für ein schönes Wort, es klang fast ein wenig nach Haus des Herrn. Er war zwar kein Herr, aber die ganze Wohnung war ein Geschenk, das in seine warmen Hände gefallen war, es war nicht zu fassen. Und es machte ihnen keine Probleme, das Darlehen von siebentausend Kronen abzubezahlen, es waren zweihundertvierzig pro Monat, und da Sidsel alle ihre Kleider selbst nähte oder strickte und auch sonst in jeder Hinsicht sparsam war, konnten sie sich sogar ein Sparkonto leisten.
Es würde Blutpudding geben, wie er roch.
»Papa!«
»Mein Mädel«, sagte er und fuhr ihr über die Haare. »Und wie war denn dein Tag?«
»Ich habe Kartoffeln geschält und den Tisch gedeckt.«
»Und die Schule?«
»Ganz normal. Ziemlich langweilig.«
»Bist du denn aufgerufen worden?«
»Nein, es zeigen immer so viele vor mir auf.«
»Und die Nase?«
»Ziemlich verrotzt.«
»Dann hat ja alles seine gute Ordnung«, sagte er.
Sie hatten sich gerade zum Essen hingesetzt, als vorsichtig an die Tür geklopft wurde.
»Sicher Nina«, sagte Irene.
»Ja, mach auf und frag, was sie will.«
Nina klingelte nie, sie klopfte nur, leise und rasch.
»Vielleicht muss sie aufs Klo«, sagte Irene und erhob sich.
Sie stand ebenfalls auf und ging hinter Irene her.
Nina stand auf der Türmatte, in ihrer üblichen weißen Strumpfhose mit den verschmutzten Noppen
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