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Ich werde die Bilder im Kopf nicht los - mein Leben nach dem Missbrauch

Ich werde die Bilder im Kopf nicht los - mein Leben nach dem Missbrauch

Titel: Ich werde die Bilder im Kopf nicht los - mein Leben nach dem Missbrauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arena
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Jugendamt eingeschaltet.«
    Krause: »Wie kommst du darauf, dass sie das gemacht haben könnte?«
    Ich: »Kurz nachdem ich die Schule gewechselt habe, kam eine vom Jugendamt zu uns nach Hause und wollte mit mir sprechen.«
    Krause: »Hat sie nicht gesagt, warum sie zu euch nach Hause gekommen ist?«
    Ich: »Nein. Sie hat nur gesagt, dass sie sich gerne einmal ein Bild von unserer Familie machen würde.«
    Krause: »Konntest du dich ihr gegenüber denn nicht öffnen?«
    Ich: »Wie denn? Es gab überhaupt kein Gespräch alleine. Sie hat zwar gefragt, ob ich mit ihr unter vier Augen sprechen möchte. Aber sehr witzig, wenn man bei der Frage schon so angeguckt wird, dass man sich natürlich nicht traut. Außerdem hatte ich gerade erst erfahren, was passieren kann, wenn ich was sage. Ich hätte es mich im Leben kein zweites Mal mehr getraut.«
    Krause: »Meinst du aber nicht, dass sie dir hätte helfen können?«
    Ich: Kopfschütteln.
    Krause: »War das ein einmaliger Besuch oder gab es daraufhin öfter Besuche vom Jugendamt?«
    Ich: »Ein oder zwei Mal kam sie schon noch vorbei. Aber ich habe später auch erfahren, dass sie nur ein paar Dörfer weiter gewohnt hat und mein Stiefvater sie privat kannte. Und so waren auch die nächsten Besuche. Bei Kaffee und Kuchen haben die sich nett unterhalten.«
    Krause: »Und verstehe ich es richtig, dass kein Gespräch unter vier Augen stattgefunden hat?«
    Ich: »Ja.«
    Krause: »Hat sich nach dem Anruf deiner Lehrerin zu Hause irgendwas geändert? Sind die Übergriffe weniger geworden?«
    Ich: »Weniger?«
    Krause: »Ja, oder hat sich sein Verhalten geändert?«
    Ich: »Es ist alles, nur nicht weniger geworden. Er hat mir jeden Tag aufs Neue gezeigt, was er davon gehalten hat.«
    Auszug aus dem Vernehmungsprotokoll, 15. Juli 2011, 11:46 Uhr
    Ich fühlte mich ihm ausgeliefert. Wehrlos. Hilflos. Und vielleicht war ich das auch. Zumindest gelingt es mir heute in guten Momenten, so zu denken. Wenn ich mir nicht gerade Vorwürfe mache, dass ich mich nicht intensiver gewehrt habe. Oder es doch mal mit dem Messer hätte versuchen sollen … Oder vielleicht einfach hätte weglaufen müssen … Heute sehe ich so viele Auswege. Damals sah ich keine. Ein Mal hatte ich mich getraut, mich jemandem anzuvertrauen, und war damit gründlich gescheitert. Danach fühlte ich mich wie begraben. Mein Leben war eben so. Alle paar Tage durfte mein Stiefvater mich benutzen, wie es ihm gefiel. Und keiner tat etwas dagegen. Nur dieses eine Mal hat die Tante vom Jugendamt beim gemeinsamen Kaffeetrinken gefragt, ob ich mit ihr »unter vier Augen« sprechen wolle. Mein Stiefvater hatte mich nur scharf angesehen – und sofort hatte ich den Kopf geschüttelt. Und dann hatten sie fröhlich weiter geplauscht …
    Trotzdem sollte ich kurz darauf zu einer Psychotherapeutin gehen. Ich glaube, das hatte die Kaffeetante vom Jugendamt angeordnet. Das war ja soo nett! Mein Stiefvater hat mich jedes Mal dorthin gefahren, mich bis zum Behandlungszimmer begleitet und anschließend noch freundlich mit der Therapeutin gequatscht. Ich habe währenddessen nur dagesessen und kein Wort gesagt. Gar nichts. Außer »Guten Tag« und »Tschüss« vielleicht. Habe ich damit eine weitere Chance auf Hilfe verpasst? Möglicherweise. Aber ich hatte viel zu viel Angst vor meinem Stiefvater und davor, was er mir antun würde, wenn ich es noch einmal versucht hätte, ihm Schwierigkeiten zu bereiten. Ich war doch nicht wahnsinnig! Aus demselben Grund habe ich auch geschwiegen, wenn sich andere erkundigt haben, ob irgendetwas nicht in Ordnung war. »Alles bestens!« war meine Standard-Antwort. »Alles super!« Und ich möchte wirklich niemandem einen Vorwurf machen, aber ich glaube, es wollte auch keiner so genau hinsehen. Wahrscheinlich hat einfach jeder genug mit seinem eigenen Leben zu tun. Bin ich ungerecht, wenn ich so denke?
    *
    Die Vernehmung gerät ins Stocken. Auch Herr Krause wirkt etwas betreten. Ich frage mich plötzlich, ob er selbst Kinder hat. Ob er vielleicht manchmal an sie denkt, während ich erzähle. Es ist merkwürdig, dass er nun bald alles über mich weiß und ich gar nichts über ihn. Er sieht mich lange an, ehe er mit einem neuen Themenblock beginnt, den er sich für heute vorgenommen zu haben scheint.
    Krause: »Eine einzige Frage hätte ich noch.«
    Rechtsanwalt Rabe: »Ja, für mich ist das in Ordnung. Können Sie denn noch, Frau B.?«
    Ich: Kopfnicken.
    Krause:»Prima. Hast du das Gefühl, dass du noch heute unter

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