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Ich werde die Bilder im Kopf nicht los - mein Leben nach dem Missbrauch

Ich werde die Bilder im Kopf nicht los - mein Leben nach dem Missbrauch

Titel: Ich werde die Bilder im Kopf nicht los - mein Leben nach dem Missbrauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arena
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den damaligen Übergriffen leidest?«
    Ich: »Meinen Sie das ernst?«
    Krause: »Ja, ich muss das fragen. Versteh mich bitte nicht falsch, mir ist natürlich vollkommen klar, dass so was immense Auswirkungen haben wird. Keine Frage. Aber ich muss diese einmal aus deinem Mund hören. Auch das ist wichtig und entscheidend für das weitere Verfahren.«
    Ich:»Aha. Was wollen Sie denn hören?«
    Krause: »Zum Beispiel, wie es dir jetzt geht. Wie du damit umgehen kannst, ob es dich beeinträchtigt.«
    Ich: »Was meinen Sie denn? Super geht es mir nicht. Obwohl es ja wahrscheinlich so sein müsste. Schließlich ist es vorbei. Aber ist eben nicht so. Ich hab dauernd Flashbacks, sehe einzelne Szenen immer und wieder vor meinem Auge ablaufen. Einfach so. Hab in den Momenten das Gefühl, dass es mir den Boden unter den Füßen wegreißt. Angstzustände, körperliche Nähe kann ich nicht ertragen. Albträume, Essen ist nicht meine Lieblingsbeschäftigung. Manchmal verletze ich mich selber. Das ist echt beschissen für meine Arbeit und gefährdet auch wirklich die Ausbildung, logischerweise. Ach, keine Ahnung. Ich hasse mich, meinen Körper, mein Leben. Denke dauernd, dass ich es doch einfach nicht anders verdient habe und es mir ja doch gefallen haben muss, wenn man sich nicht wehrt.«
    Krause: »Denkst du auch manchmal daran, nicht mehr leben zu wollen?«
    Ich: Kopfnicken. »Ja. Manchmal schon.«
    Krause: »Hast du denn momentan das Gefühl, dass du irgendwann ein Leben haben kannst, das für dich lebenswert ist?«
    Ich: »Keine Ahnung. Ich, ich würde es gerne. Aber … aber irgendwie ist es einfach so unvorstellbar.«
    Krause: »Wenn ich mal meine Meinung dazu sagen darf, ich fand dich bisher mehr als tapfer und die Stärke, die du bisher bewiesen hast, beeindruckt mich. Auch wenn es sich für dich vielleicht noch nicht so anfühlt, ich bin der festen Überzeugung, dass du den Weg schaffen kannst zu einem normalen Leben. Gewiss wird es nicht einfach, aber erreichen kannst du das. In diesem Sinne würde ich gerne erst mal aufhören für heute. Versuch, ein bisschen durchzuatmen und zu entspannen, so weit das möglich ist.«
    Auszug aus dem Vernehmungsprotokoll, 15. Juli 2011, 12:10 Uhr

6. Prozessvorbereitung
    »Ich will weg.
Fühle mich so fett.
Überall auf mir
Lauter Hände – voll Gier.
Der Geruch so widerwärtig.
Ich werd damit nie mehr fertig.
Will einfach nichts mehr spüren.
Warum kann man mich nicht einfach entführen?
Will nicht mehr sein,
Fühle mich einfach nur klein!
Diese ganzen fremden Blicke,
Die wissen doch gar nicht, wie ich ticke.
Habe das Gefühl zu zerreißen.
Aber kann ich mir das leisten?
Funktionieren muss man immer,
Sonst wird nur alles noch viel schlimmer.
Blöde Fragen, kein Verständnis.
Es wird immer bleiben eine Finsternis.«
    Gedicht vom 5. Oktober 2011
    I ch habe angefangen, Gedichte zu schreiben. Irgendwie müssen meine Gedanken raus und ich glaube, das ist eine ganz gute Möglichkeit. Zumindest fällt mir das Gedichteschreiben leichter, als wenn ich mit anderen über meine Gefühle sprechen soll. Als ich Frau Schmitz vom Weißen Ring während eines Telefonats davon erzähle, ist sie ganz begeistert: »Ja, das ist prima! Das hilft Ihnen zu verarbeiten.« Das allerdings erscheint mir ein wenig zu optimistisch. Ich habe eher das Gefühl, dass nichts hilft, um das Geschehene zu verarbeiten. Es fühlt sich seit Jahren gleich schlimm an. Das sage ich auch der Dame vom Weißen Ring: »Meine einzigen Verschnaufpausen habe ich beim Reiten. Dann kann ich es kurz vergessen, denke an nichts anderes als ans Reiten – das ist für mich die beste Therapie.« Schon wenn ich nur ans Reiten denke, fühle ich mich besser. Wenn ich auf dem Pferd sitze, über Hindernisse springe, mich voll konzentrieren muss, fühle ich mich für kurze Momente sogar richtig frei und leicht und glücklich und vergesse diesen ganzen Scheiß. Auch anschließend bei der Stallarbeit genieße ich die Nähe zu den Tieren. Sie sind so gut und ehrlich und treu. Eindeutig die besseren Menschen! Ich fühle mich bei ihnen geborgen, warm und wohl.
    Aber spätestens auf dem Weg nach Hause überkommen mich dann wieder die schlimmen Gedanken, die Erinnerungen, die Lebensmüdigkeit. Dann habe ich das Gefühl, das alles nicht mehr alleine tragen zu können. Und seit ich das mit der Anzeige begonnen habe, ist es noch schlimmer geworden. Es ist alles wieder aufgewühlt und fühlt sich frisch und wild und schmerzhaft an. »Manchmal

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