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Ich werde die Bilder im Kopf nicht los - mein Leben nach dem Missbrauch

Ich werde die Bilder im Kopf nicht los - mein Leben nach dem Missbrauch

Titel: Ich werde die Bilder im Kopf nicht los - mein Leben nach dem Missbrauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arena
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Treffern fast erschlagen. Gibt es so viele, denen dasselbe angetan wurde? Ich habe mal gehört, dass jedes vierte Mädchen missbraucht wird. Wenn das stimmt, sind wir tatsächlich viele. Dann wäre es sogar wahrscheinlich, dass ich viele kenne mit einer ähnlichen Geschichte. Aber vermutlich schweigen die genau wie ich und trauen sich nur hier – im anonymen Internet –, sich zu öffnen. Ich melde mich in einem Forum an und schreibe:
    »Hallo, ich weiß nicht genau, ob es richtig ist, wenn ich hier schreibe. Ist ja doch recht öffentlich. Und alles noch so neu. Und ich weiß auch nicht, ob ich es schaffe. Oder hinterher bereue. Aber im Moment bin ich so verwirrt, durcheinander.
    Fertig.
    Weiß nicht mehr, was richtig ist. Und wie es weitergehen soll.
    Gerade kam meine Geschichte raus. Oder sagen wir so: Bruchstücke davon. Nach mehreren Halb-Zusammenbrüchen auf der Arbeit. Dann ging alles so schnell. Habe es mehr wie in Trance erlebt. Plötzlich saß ich bei der Polizei zur Video-Vernehmung.«
    Eintrag in einem Missbrauchs-Forum, 17. Juni 2011, 22:30 Uhr
    Während ich das schreibe, habe ich das Gefühl, jemand würde sich auf meinen Brustkorb setzen. Ich bekomme keine Luft. Ich habe ohnehin nie das Gefühl, so richtig tief atmen zu können. Immer fühle ich mich begrenzt, bedrängt, bedrückt. Aber jetzt ist mein Brustkorb wie eingequetscht. Meine Augen schmerzen. Ich glaube, sie möchten schon wieder weinen.
    Wie hat das jemals ein Mädchen oder eine Frau ertragen können? All das erzählen zu müssen. Immer und immer wieder. Den Polizeibeamten. Dem Rechtsanwalt. Dem Staatsanwalt. Aufgewühlt starre ich auf meinen Text. Jetzt steht er da, jeder kann ihn lesen. Zumindest jeder, der in diesem Forum angemeldet ist – und das sind vermutlich hauptsächlich Frauen, die selbst missbraucht wurden. Zum ersten Mal will ich Menschen um mich wissen, denen dasselbe passiert ist wie mir, die dasselbe fühlen wie ich: den Schmerz, die Schuld, die Scham. Kurz flammt das Gefühl auf, mich nicht mehr so alleine fühlen zu müssen – als abstoßende, schmutzige Außerirdische, die sich immer klammheimlich unter die sauberen Einheimischen mischt und so tut, als wäre sie eine von ihnen …
    Nach nur fünf Minuten kommt die erste Antwort. Mein Herz klopft mir gefühlt bis zu den Ohren, als ich sie lese:
    »Suche dir vor allem jemanden, der dich unterstützen kann. Das, was jetzt kommt, wird sehr anstrengend für dich und wird alles noch einmal aufwühlen. Ich war froh, als es endlich vorbei war. Ich wünsche dir ganz viel Kraft, das durchzustehen. Bine«
    Missbrauchs-Forum, 17. Juni 2011, 22:35 Uhr
    Obwohl ich diese Bine nicht kenne und nichts über sie weiß, bin ich froh, dass sie mir schreibt. Endlich jemand, mit dem ich mich austauschen kann. Ganz anonym. Wir könnten morgen im Supermarkt nebeneinanderstehen und wüssten nicht, was wir voneinander wissen. Das macht mich mutig, ehrlich zu sein:
    »Liebe Bine, darf ich fragen, wie du es geschafft hast? Hast du es währenddessen bereut? Ich habe in meinem Umfeld keinen, der es weiß. Dieses Versteckspiel zerreißt mich. Hatte Kontakt zum Weißen Ring, die mir einen Anwalt vermittelt haben. Aber dieser weiß auch nur so wenig. Bin nicht in der Lage, mich zu öffnen … Möchte mich verkriechen. Es alles verdrängen. Vergessen. Nie wieder Dinge davon aussprechen müssen. Und das alles nur wegen einem Moment der Schwäche …«
    Missbrauchs-Forum, 17. Juni 2011, 22:47 Uhr
    Ich stehe auf, um mir etwas zu trinken aus der Küche zu holen. Mein Bein schmerzt bei jedem Schritt. Gut, dass morgen Wochenende ist und ich nicht zur Arbeit muss. Meine Freundinnen sind heute nach Köln gefahren, um dort auszugehen. Bonn ist ihnen zu langweilig. »Bundesstadt ohne nennenswertes Nachtleben«, sagen sie immer. Ich wünschte, ich hätte ihre Leichtigkeit. Stattdessen sitze ich vorm Rechner und schreibe mir mit anderen Frauen, die ebenfalls am Freitagabend mit ihrer Geschichte hadern, anstatt ihr Leben zu genießen.
    Die nächsten Antworten:
    »Vielleicht kannst du die Sachen einfach aufschreiben? Das Geschriebene könntest du dann deinem Anwalt geben. So habe ich es immer gemacht. Der Weiße Ring hat mir auch geholfen. Ganz wichtig ist, dass du immer jemanden hast, der dich begleitet. Ich wünsche dir alles Gute, ich weiß, wie schwer das ist.«
    Missbrauchs-Forum, 17. Juni 2011, 22:56 Uhr
    »Irgendwie habe ich das Ganze durchgehalten. Aber als es vorbei war, bin ich zusammengebrochen. Es tut mir

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