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Ich werde immer da sein, wo du auch bist

Ich werde immer da sein, wo du auch bist

Titel: Ich werde immer da sein, wo du auch bist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Lacour
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würden, wer wir sind und was wir auf ihrer Party wollen.
    Deshalb weiß ich, wie Henrys Haus von außen aussieht, aber als ich Taylor durch die Haustür folge, ist alles fremd – vom riesigen Familienporträt in der Diele bis zum Marmorboden und dem Springbrunnen in seiner Mitte. Ich wüsste gern, was ein Junge so macht, der praktisch allein lebt.
    Wir gehen ins Wohnzimmer.
    Henry und ein paar andere Jungs, die ich nur vom Sehen kenne, hocken auf einem teuer aussehenden Sofa, trinken Coronas und glotzen auf den Fernsehbildschirm.
    »He«, sagt Taylor. »Ihr kennt Caitlin, ja?«
    Einer von ihnen – nicht Henry – sagt: »Hey.«
    Sie glotzen weiter.
    Genau vor so was haben Ingrid und ich uns immer gefürchtet, wenn wir umkehrten und wieder weggingen. Ich stehe da und fühle mich total überflüssig.
    Ich würde gern behaupten, dass eine Million Möglichkeiten durch meinen Kopf zischen und ich mich bloß nicht entscheiden kann, welchen genialen Spruch oder supercoolen Witz ich machen soll, der alle zum Lachen bringen wird; oder wie ich es schaffe, dass Taylor weniger nervös wirkt und sich die Spannung im Raum verflüchtigt. Doch noch bevor ich den Mund aufmache, sagt Henry was. Immer noch mit dem Blick auf den Bildschirm nuschelt er: »Hey, du bist doch mit der Neuen befreundet, oder?«
    Also hab ich mich geirrt, und er weiß doch, dass ich existiere.
    »Ja.« Aber ich frage mich, ob das noch stimmt. Er muss ziemlich blind sein, wenn er nicht mitgekriegt hat, dass Dylan und ich schon seit zwei Wochen nicht mehr nebeneinandersitzen.
    Er nickt. »Die hat Klasse. Mag sie auch Jungs?«
    Ich schüttele den Kopf, aber keiner sieht mich an, nicht mal Taylor, der so aufmerksam seine Schnürsenkel mustert, wie er das Buch über Jacques DeSoir beäugt hat. Deshalb sage ich: »Glaub ich nicht.«
    »Hat sie eine Freundin?«
    »Ja.«
    »Ist die auch so scharf?«
    »Hm …« Ich wippe auf den Fußballen hin und her. »Irgendwie seltsam, darüber zu reden.«
    »Ist doch keine große Sache. Ist einfach ’ne Frage. Also – ist sie?«
    »Taylor, ich warte draußen.« Ich gehe raus und mache die schwere Tür hinter mir zu.
    Eine Sekunde später steht er neben mir. »Tut mir leid, das da drinnen. Henry ist sonst ziemlich cool.«
    »Davon bin ich überzeugt«, sage ich, ohne eine Miene zu verziehen, aber ich weiß nicht, ob Taylor mitgekriegt hat, dass das sarkastisch gemeint ist.
    Ich bin total durcheinander. Ich will nicht am Baumhaus weitermachen oder in meinem Auto einschlafen. Ich will nicht mal, dass Taylor mich küsst. Das Einzige, was ich im Augenblick will, wäre Dylan aufzuspüren und ihr zu sagen, dass mir alles schrecklich leidtut und dass ich weiß, dass ich mich total irrational und bescheuert verhalten habe.
    Ein Motor knattert, und dann biegt ein gelber Datsun mit Jayson am Steuer um die Ecke.
    »Ich hab keine Zeit«, sage ich zu den Betonplatten.
    »Aber du musst unbedingt das Restaurant ausprobieren. Es ist echt toll, ich schwör’s. Du wirst es nicht bereuen.«
    »Ich muss los.«
    Jayson hält an.
    »Kann ich dich wenigstens nach Hause bringen.«
    Ich hebe einen Fuß und trete vom Bordstein, drehe mich zu Taylor um und sage: »Mir ist nach Laufen.« Ich ringe mir ein Lächeln ab und sage noch: »Aber vielen Dank.«
    Taylor sieht aus wie ein Kind, das nicht das heißersehnte Weihnachtsgeschenk bekommen hat.
    »Wenn du nicht alles schaffst, kannst du mir ja morgen was zum Mittagessen mitbringen.« Dann dreh ich mich um und laufe zur Mall.
    Ich gehe in die Nudelbar. Dort riecht es nach Kokosmilch und Ananas. Aus der Jukebox singt Elvis. Dylan ist nicht da.
    Ich will trotzdem Suppe essen. Ich setze mich in unsere Nische und esse allein.

9
    Ich komme gerade aus der vierten Stunde, als mir jemand auf die Schulter tippt. Es ist Alicia mit wild zusammengerafften roten Haaren auf dem Kopf. Ich meine wild positiv. Alicia sieht immer perfekt aus.
    »Caitlin, ich bin froh, dass ich dich gefunden habe. Ich seh dich nie in der Cafeteria. Wo sitzt du denn immer?«
    Ich habe nicht die geringste Lust, ihr zu offenbaren, dass ich mich während der Mittagspausen in Klokabinen verstecke. Deshalb zucke ich die Achseln und sage: »Mal hier, mal da«, und hoffe, es hört sich irgendwie cool an und nicht, als wäre mir das Aussprechen der Wahrheit zu peinlich.
    Aber meine Antwort scheint sie eh nicht zu interessieren. Ihre Blicke wandern hastig nach allen Seiten, als würde sie eigentlich am liebsten gar nicht mit mir reden wollen.

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