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Ich werde immer da sein, wo du auch bist

Ich werde immer da sein, wo du auch bist

Titel: Ich werde immer da sein, wo du auch bist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Lacour
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Als sie sich vergewissert hat, dass niemand Wichtigeres in der Nähe ist, sieht sie mich wieder an.
    »Hör mal. Caitlin.«
    Sie wartet, als ob ich jetzt etwas sagen müsste.
    »Äh, ja?«
    Sie holt Luft und quasselt los. »Wir sind doch schon so lange Freundinnen. Ich meine, seit ewigen, ewigen Zeiten. Deshalb halte ich es für meine Pflicht, dir zu sagen, dass man bereits über dich und dieses
Mädchen
tuschelt.«
    »Dylan?«
    Sie kraust die Nase und nickt heftig. »Also, nicht dass ich den Gerüchten jemals glauben würde, aber du solltest wirklich Bescheid wissen. Ich weiß, dass du eine schwere Zeit durchmachst, und ich sage dir das auch nur, weil ich mir Sorgen mache. Ich fände es schrecklich, wenn du in der falschen Clique landen würdest.«
    Ich erspar mir die Mühe, sie darauf hinzuweisen, dass ein Mensch ja noch keine Clique ist. Ich sage auch nicht, dass ihr Rat ein bisschen spät kommt.
    »Du musst auf deinen Ruf achten«, fügt sie noch hinzu, neigt den Kopf zur Seite und lächelt.
    Ich schau mir jede einzelne Haarsträhne an, die perfekt verstrubbelt mit Haarspray fixiert ist, ihre leuchtend grünen Augen, die an mir vorbei in die Ferne sehen, und ohne nachzudenken, platze ich heraus: »Alicia, hältst du dich für einen oberflächlichen Menschen?«
    Alicias Aufmerksamkeit zoomt zu mir zurück. »Was?«
    »Na ja, weißt du, ich halte mich auch nicht für einen oberflächlichen Menschen. Aber ich finde, dass Menschen, die über andere Leute urteilen, die sie nicht mal kennen, oberflächlich sind, und Menschen, die Gerüchte in die Welt setzen, sind oberflächlich, und was oberflächliche Menschen über mich sagen, ist mir total egal.«
    Alicia hat die Augen aufgerissen und starrt mich fassungslos an. Ich kann praktisch ihr Hirn ticken hören. Sie erwidert: »Ich sage dir das nur zu deinem Besten. Weil wir seit dem ersten Schuljahr Freundinnen sind. Aber da du das nicht zu schätzen weißt, kann es mir ja egal sein. Das erleichtert mir mein Leben. Also, danke.«
    »Nein.« Mein Herz wummert, und ich habe einen Ziegelstein im Bauch. »Ich danke
dir
, Alicia.«
    Dann drehe ich mich um und gehe zur Toilette.
    Ich stehe vor dem Spiegel. Ich habe heute Morgen kein Selbstporträt abgegeben, nicht mal ein schlechtes. Ms Delani sagte uns am Ende der Stunde, wir sollten unsere Selbstporträts abgeben, und ich hab mir meinen Rucksack geschnappt und bin gegangen, während alle anderen sich anstellten, um ihre Fotos auf den Stapel zu legen.
    Hinter mir sind auf beiden Seiten lange Reihen von leeren Klokabinen mit silbrigen Metalltüren. Ich beuge mich über das Waschbecken näher zu meinem Spiegelbild und schaue mich an. Ich weiß nicht, was ich sehe; ich weiß nicht mal, was ich sehen will.
    An manchen Tagen fühle ich mich wie eine Verhaltensauffällige – wie Melanie, nur stiller. Ich stelle mir vor, wie sich die Leute fragen, was in meinem Leben schiefgelaufen ist. Aber an anderen Tagen will ich wie Dylan sein und wie Maddy und ihre Freunde, die schon etwas erlebt haben, die auch mal Mist gebaut haben, aber gleichzeitig so stark wirken.
    Aber letztendlich weiß ich, dass ich so etwas nicht selbst entscheiden kann.
    Ich trete einen Schritt zurück. Ich weiß nicht, was ich da im Spiegel sehe.
     
    Nach der Schule folge ich Dylan vom Englisch-Flur zu den Naturwissenschaften. Wir drehen gleichzeitig an unseren Zahlenschlössern. Ich sehe kurz zu ihr hin und versuche »hi« zu sagen, aber sie ignoriert mich komplett. In ihrer Tasche summt es, und sie holt ihr Handy raus.
    »Hey«, sagt sie. »Ja, ich geh grad los.« Sie knallt ihren Spind zu und geht telefonierend weg.
    Mir fällt auf, wie perfekt das ist: Das einzige Mal, wo ich für etwas eintrete, das einzige Mal, wo ich wirklich weiß, was ich sagen will, geht es um eine nichtexistierende Freundschaft.
    Ich laufe schnell nach Hause, gehe direkt in mein Zimmer und lese.
    Ich brauche sie.
    LIEBE REGENWOLKEN,
     
    ihr hängt so tief über der Erde und wartet nur darauf, euer Wasser rausströmen zu lassen. Ich werde meine rot-schwarzen Gummistiefel anziehen, meine heißgeliebten Stiefel, die ich nur selten anziehe, dann werfe ich Kieselsteine an Caitlins Fenster, damit sie rauskommt und mit mir durch die Pfützen platscht.
    Wir gehen zum Kino und brechen das Schloss auf, rennen zwischen den Sitzreihen hin und her und denken an die Menschen, die hier mal geatmet haben. Gestern hat Jayson gesagt, dass er meine Mütze hübsch findet. Er sagte: »Ich mag die«, und

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