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Ich werde rennen wie ein Schwarzer, um zu leben wie ein Weisser

Titel: Ich werde rennen wie ein Schwarzer, um zu leben wie ein Weisser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ewers
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der Voortrekker Road Richtung Zentrum sind.
    Jede Fahrt nach Elsies River ist eine Fahrt in sein früheres Leben und damit ein Risiko für Martin Africa. Er muss aufpassen, wo er langgeht und wem er begegnet, er darf die unsichtbaren Grenzen nicht verletzen, denn das ganze Township, 90.000 Menschen leben hier, ist aufgeteilt unter den Gangs. Jedes Viertel, jeder Platz, jede Straße. Die Hard Livings machen in Elsies River ihre Geschäfte und auch die Americans, die Jester Kids und die Dixie Boys. Alle besitzen ihr eigenes turf , ihr Revier, in dem sie Schutzgelder erpressen, Hehlerware verkaufen und Crystal Meth und Frauen.
    Sie sind nervös hier, immer wieder stehen Meldungen über Bandenkriege in den Kapstädter Zeitungen, es gibt Schießereien
aus fahrenden Autos heraus, Messerstechereien auf offener Straße, Szenen wie aus einem Film.
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    Martin Africa im Township Elsies River
    Martin Africa kommt trotzdem jeden Mittwoch zum Training und am Wochenende zu den Spielen. Er wohnt jetzt in einem Heim in Gardens, in der Nähe des Stadtzentrums. Er sagt: »Ich will den Menschen in Elsies River zeigen, dass es geht. Fußball hat mich von der Straße geholt, ich muss keine schmutzigen Dinge mehr tun.«
    Von Winchester United bekommt Africa keinen einzigen Rand für sein Spiel, aber er bekommt Aufmerksamkeit, er ist einer der besten Stürmer in der Freizeitliga, mehr als 21 Tore waren es in der zurückliegenden Saison. Er ist auch eine gute Geschichte für Winchester, ein kleines Sozialprojekt im Viertel Clarke Estate in Elsies River. Africa dient als Musterbeispiel für die Wandlung eines früheren Gangsters zum Sportsmann, fair und clean.

    Martin Africa, geboren am 2. Mai 1977 in Kapstadt, Nummer BC34689 im Kriminalregister, ist tatsächlich eine gute Geschichte. Seine Geschichte zeigt, welch magische Kräfte der Fußball im Gastgeberland der WM 2010 besitzt, und sie zeigt auch, wie sehr er zugleich lähmt, die Sinne vernebelt, wie überfrachtet dieses Spiel wird, das die sozialen Probleme Südafrikas vielleicht nicht gleich lösen, zumindest aber lindern soll.
    Fußball ist das Zauberwort der sogenannten Non-Governmental Organizations (NGOs), der Nichtregierungsorganisationen. Kaum eine Initiative, die nicht ein Fußball-Projekt aufgelegt hätte im Jahr vor der Weltmeisterschaft; sie heißen »Coaching for Hope«, »Project Hope« oder »Multipurpose Talent Group«. Es wurde alles so groß und unübersichtlich, dass im Dezember 2008 eigens für die Region Western Cape eine Versammlung einberufen wurde, die »Youth Development through Football Conference«. Das Konferenzpapier listet 203 Projekte auf, allein 107 davon sind in Kapstadt angesiedelt.
    Ein Projekt fing auch Martin Africa auf, es war das Homeless World Cup Team, eine Art Nationalmannschaft der Obdachlosen. David Abrahams ist der Manager des Teams, er macht das im Nebenjob, hauptberuflich berät er Städte und Gemeinden beim Aufbau ihrer Verwaltungen. Abrahams, 44, kann sich noch gut erinnern an sein erstes Treffen mit Africa vor zwei Jahren, als der es geschafft hatte durch die Trials, bei denen 300 Jugendliche und Männer aus den Straßen Kapstadts um 20 Plätze im Team kämpften. »Ich sah seine Tattoos, auf der Stirn, auf dem Hals, auf den Armen, überall Zeichen von den Hard Livings«, sagt Abrahams. »Ich dachte: Hoffentlich will der wirklich, hoffentlich kriegen wir den geradegebogen.«

    Abrahams vermittelte Africa einen Platz im Heim der Hilfsorganisation Mylife, dort bekommt er ein kleines Taschengeld, davon lebt er. Abrahams stellte eine klare Regel auf: Wenn du dich prügelst, stiehlst oder Drogen nimmst, fliegst du aus der Mannschaft.
    Martin Africa wollte einen Neuanfang im Sommer 2008, halb aus Einsicht, halb aus Not. Er hatte Streit mit seiner Freundin, mit der er den kleinen Renald hat, drei Jahre alt damals. Er ließ beide zurück, über Nacht, es war einer von vielen Brüchen in seinem Leben, aber nach der Trennung von Renald, so erzählt es Africa, habe er sich gefragt: »Wo ist die Alternative zu: Knast, Straße, Knast, Straße? Wer gibt mir eine Chance zu zeigen, dass ich mehr kann, als ein bisschen zu ballern und Angst zu verbreiten? Welchen Job könnte ich machen, auch in zehn oder zwanzig Jahren noch?«
    Africa fand die Antwort im Homeless-Team. Er will jetzt Fußballtrainer werden. Während der Obdachlosen-WM 2009 in Mailand war er Kapitän der südafrikanischen Mannschaft, es machte ihm Spaß, der Chef zu sein. »Ich kann das«,

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