Ich werde rennen wie ein Schwarzer, um zu leben wie ein Weisser
sagt er, »bei den Hard Livings haben sie auch schon alle auf mich gehört. Ich habe ein gutes Gefühl für Menschen. Ich will Talente entdecken und sie hochbringen in den Profifußball, damit lässt sich gutes Geld verdienen.«
Bei der Weltmeisterschaft führte Martin Africa sein Team auf Platz 17 unter 48 teilnehmenden Ländern - vor allem aber führte er es in die Nachrichtensendungen und Klatschspalten, nicht nur in Südafrika.
Am Tag des Rückflugs von Mailand über Paris nach Kapstadt versackte Africa zusammen mit einem Mannschaftskameraden in einer Bar. Alles, was sie noch übrig hatten von ihrem Geld, gaben
sie beim Umstieg in Paris-Charles de Gaulle für Whiskey aus. Sie waren am Schluss so betrunken, dass sie alles vergaßen, die Zeit, ihren Flug und auch das Versprechen, keinen Mist mehr zu bauen. Sie verbrachten die Nacht in einer Ausnüchterungszelle der Flughafenpolizei, und am nächsten Tag riefen sie die südafrikanische Botschaft in Paris an, weil sie ein neues Ticket brauchten und einen Kontakt zu Teammanager David Abrahams. Für einen Anruf auf seinem Handy reichte das Geld nicht mehr.
115
Africa (2.v.li.) nach einem Sieg mit dem Winchester FC
Abrahams hätte Africa rauswerfen können, und er dachte auch ernsthaft darüber nach, aber er tat es nicht. »Martin ist 32 Jahre alt, und er hat einen kleinen Sohn«, sagt Abrahams, »doch er ist selbst noch ein Kind. Er benimmt sich wie ein Kind, er hat
Pläne wie ein Kind. Man muss das Kind in ihm sehen, sonst erreicht man nichts.«
Es fällt Abrahams manchmal schwer, Geduld aufzubringen, und noch schwerer fällt es ihm, Martins Traum am Leben zu halten. Den Traum von einer Karriere im Fußball, den Traum, dass sich aus der Spielerei im Homeless-Team und bei Winchester United ein ernsthafter Job ergeben könnte, eine Perspektive für die nächsten Jahre. Abrahams hält diesen Traum am Leben durch sein Schweigen. Er müsste eigentlich sagen: »Vergiss den Fußball, denn im Profigeschäft gibt es keine Trainer, die aus dem Nichts kommen. Bemüh dich um eine Lehre, mach irgendwas, bilde dich weiter, aber vergiss bloß den Fußball, denn es wird nicht klappen.«
Er müsste solch einen Satz sagen, in dieser Härte, Abrahams weiß es, »ja, es wäre irgendwie vernünftig«, sagt er, aber er schafft es nicht. »Fußball war das Seil, das wir Martin gereicht haben, um da unten rauszukommen. Und jetzt soll ich dieses Seil durchschneiden? Das bringe ich nicht übers Herz.«
Auch im Heim, bei Mylife, sagen sie keine harten Sätze. Im Gemeinschaftsraum hängt ein großes Poster, darauf steht: »I am brilliant.« »I am bright.« »I am an outstanding peak performer.« Unter diesem Poster sitzt die Sozialarbeiterin Linzi Thomas, 45, auf einem Sofa und sagt: »Martin ist ein sehr guter Trainer. Er muss weiter an sich glauben, es wird sich etwas ergeben für ihn.« Und dann sagt Linzi Thomas, dass sie schon eine Idee hätten bei Mylife, Martin könne Teil eines großen Projekts werden. In der Nähe von Camps Bay, einem der reichsten Vororte Kapstadts, wolle man ein Stück Land kaufen und darauf ein Ökodorf errichten, und Martin könne die Gäste herumführen und Sport mit ihnen machen.
Menschen wie Linzi Thomas müssen solche Luftschlösser bauen. Sie haben keine Wahl.
Es herrscht ein Kampf in Südafrika, ein Kampf zwischen Organisationen wie Mylife und dem Homeless-Team auf der einen Seite und Banden auf der anderen. Ein Kampf Gut gegen Böse. Es geht um Jugendliche und junge Männer, die auf der Suche sind, die auf der Schwelle stehen zwischen Gang- und Drogenmilieu und dem, was man ein bürgerliches Leben nennt. Tausende Suchende gibt es in Kapstadt und seinen Townships, sie haben keinen Schulabschluss und keine Arbeit, aber sie haben Kraft und Wut. Und sie sind leicht zu beeinflussen. Sie wollen ja Veränderung, eine neue Richtung in ihrem Leben.
Das macht es leicht für die Bösen, denn sie bieten kleine Jobs, als Hehler, als Kurier oder als Wachposten - und sie bieten Schutz und Anerkennung durch die Gruppe. Es gibt Titel und Orden wie beim Militär, man kann schnell Karriere machen in einer Gang. Die Guten haben es schwer: kein Geld, keine Jobs, stattdessen Weiterbildungsangebote und life skill programs , aber von life skill programs kann man nicht träumen, von Fußball schon. Fußball ist in diesen Monaten die schärfste Waffe der Guten.
Doch der Gegner hat sie auch.
Sadick da Silva, 55, ist als Erster auf dem Platz. Er ist immer der Erste, denn
Weitere Kostenlose Bücher