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Ich werde rennen wie ein Schwarzer, um zu leben wie ein Weisser

Titel: Ich werde rennen wie ein Schwarzer, um zu leben wie ein Weisser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ewers
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kam.
    Er kämpft ziemlich allein, zweimal in der Woche sieht er seine Spieler vom Knights FC, zweimal für zwei Stunden. »Zu selten, leider«,
sagt da Silva, »die Dealer haben andere Möglichkeiten, sie finden einen Weg zu den Spielern, erst kaufen sie ihnen Fußballschuhe, dann geben sie Geld für die Mannschaftskasse, und irgendwann zahlen sie ihnen Punktprämien in Form von Drogen, erst Dagga, dann Tik. Es gibt Banden, die komplette Freizeitligen in Kapstadt unterwandert haben. Aber meine Jungs haben sie noch nicht gekriegt.«
    Da Silva hat einen guten Draht zur Mannschaft, er ist eher Kumpel als Trainer, und für Chucky Williams ist er mehr als das. Nach dem Schlusspfiff lobt er Chucky vor dem versammelten Team, »starkes Spiel, wieder verbessert, wieder ein Schritt nach vorn für dich«, ruft da Silva in die Runde und sieht Chucky lächeln, verlegen, er schaut auf seine Schuhspitzen.
    Sie setzen sich auf den Rasen und reden noch ein bisschen, während die anderen sich auf den Weg zur Bushaltestelle machen. Williams sagt: »Sadick, kannst du mir einen Verein besorgen? Ich bin in Form, ich möchte es jetzt probieren.« Da Silva holt länger aus, »Du hast dich sehr gut entwickelt, Chucky, ich sehe das, aber um es nach oben zu schaffen, musst du eine ganze Saison lang stark spielen, du musst mir jedes Wochenende neu beweisen, dass du wirklich der Beste bist. Dann kann ich etwas für dich tun.«
    Da Silva sagt diese Sätze wieder und wieder, in immer neuen Variationen. Sie sind Lob und Ansporn zugleich, sie halten den Traum vom FC Liverpool lebendig, von der großen Karriere in Europa. Diese Sätze sind Lügen, Liverpool ist eine Lüge, aber wenn da Silva die Wahrheit sagte - er hätte seinen Jungen wohl ganz verloren.

Ibrahim Sunday, 59
    Accra, Ghana
    SV Werder Bremen (1975-1977)
    1 Spiel, 0 Tore
    122

    DER PIONIER
    Er stellte sich einfach neben mich, sagte kein Wort, und ein anderer weißer Mann machte ein Foto von uns. Dann ging er, grußlos. Ich dachte, das ist bloß ein Fan, ein sehr unhöflicher weißer Fan. Es war am 24. Januar 1971 in Kinshasa, Zaire, im Stade Tata Raphaël, als ich ihn traf. Wir hatten gerade TP Englebert aus Lubumbashi mit 2:1 geschlagen im Finale des African Cup of Champions. Vor 120.000 Zuschauern. Und ich war der Kapitän von Asante Kotoko. Ich hatte unsere beiden Tore vorbereitet, ich küsste den Pokal, immer und immer wieder. Ich war der erste Ghanaer überhaupt, der diese schöne Trophäe küssen durfte.
    Den Mann hatte ich schnell vergessen. Ein Gesicht von Hunderten an diesem Jubeltag. Elf oder zwölf Monate später bekam ich einen seltsamen Brief. Ohne Absender, ohne eine Zeile an mich, der Umschlag war schon aufgerissen, darin nur ein Foto: der Weiße und ich in Kinshasa. Doch ein netter Fan, dachte ich und vergaß ihn wieder.
    Ein Jahr später, 1973, das nächste Zeichen. Mohammed Attiah, ein ehemaliger Mannschaftskamerad von Asante Kotoko, gab mir eine Visitenkarte. Mohammed spielte inzwischen in den Vereinigten Staaten, für Dallas Tornado, er war kurz zu Besuch in Ghana. Auf der Karte stand: Hans Wolff, SV Werder Bremen, Anschrift, Telefonnummer,
über allem ein Wappen mit großem W. Das ist der weiße Mann, sagte Mohammed, er hat dir viele Briefe geschrieben. Warum antwortest du nicht? Er will dich nach Deutschland holen!
    Mohammed guckte mich an, gespannt, voller Erwartung, er dachte wohl, dass ich jetzt tanze vor Freude oder schreie. Er war ja glücklich im Ausland, und jetzt bekam ich meine Chance. Aber ich freute mich nicht, ich fühlte nichts, da waren nur Fragen. Wie sind die Menschen in Deutschland? Mögen sie Ausländer? Wo liegt Bremen überhaupt? Schneit es dort im Winter?
    Ich wusste, dass die Deutschen gute Fußballer haben. Müller, Maier, Vogts und den berühmten Beckenbauer natürlich. Ich wusste, dass sie Europameister sind, 3:0 gegen die Sowjetunion im Finale 1972. Aber ich kannte ihren Fußball nicht. Ich kannte nur Namen und Ergebnisse aus der Zeitung.
    Mohammed hatte Hans Wolff, den Geschäftsführer von Werder Bremen, in den USA getroffen. Werder machte dort ein paar Freundschaftsspiele, unter anderem gegen Dallas, und nach der Partie ging Wolff auf Mohammed zu und sagte: Du bist doch aus Ghana, du kennst bestimmt Ibrahim Sunday. Kannst du eine Nachricht überbringen?
    Wolff erzählte mir später, dass er zwei Jahre lang vergebens versucht hatte, mir ein Angebot zu machen. Weil er meine Anschrift nicht kannte, hatte er seine Briefe an das

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