Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ich werde rennen wie ein Schwarzer, um zu leben wie ein Weisser

Titel: Ich werde rennen wie ein Schwarzer, um zu leben wie ein Weisser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ewers
Vom Netzwerk:
er bringt die Tore mit. Zweimal schon sind hier Tore geklaut worden, einfach abgesägt, es standen nur noch Stümpfe da, als da Silva mit seinem Knights FC trainieren wollte. An diesem trüben Sonntagnachmittag könnten sie das Flutlicht gut gebrauchen, aber die Lampen sind weg und die Masten auch.

    »Wahrscheinlich könnte ich alles beim Altmetallhändler zurückkaufen«, sagt da Silva und versucht ein Lächeln. »Hier wird ja alles zu Geld gemacht, was nicht festgekettet ist.«
    Da Silva ist Leiter des Cape Flats Soccer Development. Mehr als sechzig Fußballteams hat er in den Townships von Kapstadt gegründet. Dreimal in der Woche kommt er nach Mitchell’s Plain, auf diesen zugigen Platz, wo oft genug der Wind die Richtung des Balles bestimmt. Der Knights FC ist da Silvas wichtigste Mannschaft, er trainiert sie selbst, denn hier kommt er an die special cases heran. So nennt da Silva Jugendliche, die Drogen nehmen, die Freunde haben in Gangs, die kurz davor sind abzutauchen - die aber nicht verloren sind. Noch nicht.
    Es sind junge Männer wie Chucky Williams, 19, Schulabbruch mit 16, seitdem ohne Arbeit und ohne Idee für die Zukunft. Das heißt, eine Idee hat er schon, Fußballprofi will er werden, ein Star wie Fernando Torres oder Steven Gerrard vom FC Liverpool, die als Poster über seinem Bett hängen.
    Williams wohnt noch bei seinen Eltern in der Beck Close Road, doch da ist er selten. Sein Vater Peter, 52, flucht und schreit und prügelt, wenn er abends nach Hause kommt, er arbeitet im Tiefbau, und er kann es nicht ertragen, Chucky vor dem Fernseher liegen zu sehen. Chucky Williams treibt sich jetzt tagsüber rum in Mitchell’s Plain, dem zweitgrößten Township Kapstadts, rund zwei Millionen Menschen leben hier, die meisten sind Coloureds, Farbige. Es ist das Township mit den meisten sogenannten drugrelated crimes , Verbrechen, die unter Drogeneinfluss oder zur Beschaffung von Drogen begangen werden. 17 Prozent aller im Raum Kapstadt verübten Drogendelikte finden in Mitchell’s Plain
statt, mehr als dreimal so viel wie im Stadtzentrum und wie in Elsies River, die in der Rangliste mit jeweils fünf Prozent folgen.
    Für Chucky Williams gibt es nur zwei Plätze in Mitchell’s Plain: die Straße und das Fußballfeld. An diesem Sonntagnachmittag spielt er mit dem Knights FC gegen Tafelsig FC, eine Viertelstunde vor Anpfiff ist er da. Trainer Sadick da Silva gibt ihm einen Klaps, legt ihm ein Trikot über die Schulter und schaut ihm in die Augen, einen kurzen Moment nur. Da Silva reicht er um zu sehen, dass Williams wieder geraucht hat, Dagga, Cannabis.
    Chucky Williams ist der beste Mann auf dem Platz, er ist pfeilschnell, wenn er einen Konter läuft, kann ihn niemand halten. Nach einer halben Stunde hat er schon zwei Tore geschossen. Da Silva hat sie nicht gesehen, er schaut nicht aufs Feld, er schaut auf den Spielfeldrand, auf den Parkplatz und auf das kleine graue Haus hinter dem Gästetor. »Da vorn«, sagt da Silva und hebt die Kinnspitze, »da vorn sind unsere Feinde.«
    In dem Häuschen drängen sich ein Dutzend Jugendliche, sie empfangen einen mit misstrauischen Blicken, aber sie lassen einen in ihre Mitte, denn jeder Fremde ist eine Chance auf ein kleines Geschäft. »Was willst du kaufen, Mann, Dagga oder Pillen, was willst du?« Viele der Jungs tragen weite, tief hängende Baggy Pants und Baseballcaps, sie sehen aus wie Gangsta Rapper in MTV-Videos, wie 50 Cent oder Snoop Dogg, und so reden sie auch, mit tiefer Stimme, yo man. Ihre Blicke sind verschwommen, sie beugen sich über eine Glasscherbe, unter der eine Kerze brennt. Weißes Pulver schwimmt in der Scherbe, und die Jungs, kein einziges Mädchen ist in dem Haus, inhalieren den aufsteigenden Rauch in kurzen, hastigen Zügen. Und dann kreischen
sie, hüpfen oder schlagen mit der nackten Faust gegen die Wände, es durchzuckt sie alle irgendetwas, und das muss raus, sofort, und dann wollen sie wieder zurück zur Scherbe, sie scharen sich darum, sie schubsen sich gegenseitig, es kann nicht schnell genug gehen.
    120

    Drogenabhängige Fans in Mitchell’s Plain
    Da Silva sagt, das graue Haus sei eine Drogenküche, dort würden sie Tik kochen. Ein Methamphetamin, das euphorisch macht, es erzeugt ein Kribbeln, als würden Insekten unter der Haut wandern. Vor allem aber macht Tik abhängig, manchmal schon nach dem ersten Konsum. Da Silva hat es mal mit der Polizei versucht, er hat angerufen in der Wache von Mitchell’s Plain, aber niemand

Weitere Kostenlose Bücher