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Ich werde rennen wie ein Schwarzer, um zu leben wie ein Weisser

Titel: Ich werde rennen wie ein Schwarzer, um zu leben wie ein Weisser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ewers
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kein einziges böses Wort gehört. Meine beiden Söhne, die beide bei Hertha spielen, auch nicht. Aber als Afrikaner in Deutschland siehst du nicht zuerst die Chancen, du siehst zuerst die Gefahren. Jeder Wechsel ist ein Risiko, so dachte ich damals. Es könnte einem ja noch schlechter gehen - und damit der Familie in der Heimat.
    Nach dem Karriereende waren Sie arbeitslos. Sie haben mehrere Jahre von Hartz IV gelebt und von dem Geld, das Ihre Frau, die auch aus Nigeria stammt, als Spülhilfe verdient hat. Hatten Sie keinen Plan für die Zukunft? Oder haben Ihnen Chancen und Angebote gefehlt?
    Ich wollte Trainer werden, aber schon die C-Lizenz war eine Tortur. Vielen von meinen ehemaligen Mitspielern beim Chemnitzer FC wurde sie geschenkt. Die haben ein
paar Unterrichtsstunden abgebummelt und dann hatten sie den Wisch. Ich musste als Einziger einen Kinderbetreuungsschein und einen Schiedsrichterschein machen. Die anderen Jungs haben gelacht. Der Prüfer mochte mich nicht, er hat es mir sogar ins Gesicht gesagt: »Spar dir das Geld, du schaffst die Lizenz sowieso nicht.« Ich hab es dann auch nicht geschafft, er ließ mich durchfallen. Im Fach Sportverwaltung.
    Aber im zweiten Anlauf haben Sie es dann gepackt...
    ... ja, weil anderen Prüfern aufgefallen war, dass ich offensichtlich fertiggemacht werden soll. Die haben ihren Kollegen zur Seite genommen, und als er mich zum zweiten Mal in Sportverwaltung prüfte, sagte er: »Ich glaube, heute schaffen wir’s.« So etwas nimmt dir den Mut, es macht dich fertig, immer diese Hürden, ich war müde irgendwann, ausgezehrt, eben nicht in einer Verfassung, die einem hilft, einen Job zu finden.
    Ist nicht auch verletzter Stolz ein Grund gewesen für Ihre Lethargie? Ein ehemaliger nigerianischer Nationalspieler muss einen Kinderbetreuungsschein machen - und ein paar deutsche Holzfüße kriegen ihn frei Haus und lachen Sie aus.
    Ich dachte, das Mindeste, was ich verdient habe nach so langer Zeit in Deutschland, ist ein Recht auf Gleichbehandlung. Und wenn mir das nicht gewährt wird, dann macht mich das schon fertig. Ich habe etwas geleistet in
diesem Land, ich habe gegeben, bevor ich genommen habe. Ich habe vielen Menschen Freude gemacht mit meinem Fußball. Und ich habe Steuern gezahlt. Ich habe mich nach deutschen Regeln und deutschen Gesetzen verhalten. Ich war nie ein Problem. Warum also diese Schikane?
    Haben Sie eine Antwort?
    Neid, Frust, mal Dampf ablassen wollen. Primitives Zeug. Aber ich will mich nicht immer in die Lage der anderen versetzen. Wer hat sich denn in meine Lage versetzt? Im Osten haben das die wenigsten gemacht. Dort bin ich in ein tiefes Loch gefallen.
    Wie sind Sie dann zu Hertha BSC gekommen?
    Durch meinen Sohn Junior. Hertha wollte ihn für die U17-Mannschaft, und mir haben sie auch ein Angebot gemacht. Ich arbeite jetzt bei einem großen deutschen Klub in der Nachwuchsabteilung. Es ist ein erster, wichtiger Schritt in den Trainerjob. Und es macht mir Spaß zu sehen, dass Junior und Jordan es leichter haben. Sie müssen in Berlin nicht diese Kämpfe kämpfen, die ich in Chemnitz durchstehen musste. Herthas Jugend ist international, mit schwarzen und weißen Spielern, mit Türken, Polen, Amerikanern, Franzosen und Afrikanern. Es ist eine andere Zeit und eine andere Stadt, und manchmal wünsche ich mir, ich wäre zwanzig Jahre jünger und könnte da mitspielen.

Awudu Issaka, 30
    Sunyani, Ghana
    TSV 1860 München (Reserve, 1998-2004)
    133 Spiele, 46 Tore
    138

    DER BANKIER
    Geld macht glücklich? Nicht in Afrika. Geld macht einsam, vor allem, wenn du reich bist, dann klingelt von morgens bis abends das Telefon, weil immer jemand etwas von dir will. Als ich noch in Deutschland gespielt habe, in der zweiten Mannschaft von 1860 München, musste ich mir dauernd eine neue Handynummer zulegen. Es ging nicht anders. Ich musste dichtmachen, ich hätte keinen Ball mehr getroffen, wenn ich bei jedem Anruf nachgeforscht hätte: Wer braucht wirklich dringend Geld für eine Operation? Wem ist ungelogen die Wohnung ausgebrannt? Wessen Onkel liegt tatsächlich im Sterben?
    Sie glauben gar nicht, wie viele Onkel und Tanten, Cousins und Cousinen plötzlich todkrank wurden in Ghana, wenn ich einen neuen Vertrag unterschrieben hatte in München. Ich glaube, einige Onkel sind schon mehrere Tode gestorben, so oft mussten sie herhalten als Erpressungsgrund. Afrikaner geben sich nicht viel Mühe mit dem Schwindeln, sie sehen das Geld und suchen einen schnellen Weg

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