Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich will dir glauben

Ich will dir glauben

Titel: Ich will dir glauben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabetta Bucciarelli
Vom Netzwerk:
eines Teenagers. Anstelle eines Bauchansatzes sind da feste Muskeln. Meine Unterarme können kräftig zupacken, meine Schultern sind gerade. Kompakte Bizeps und Trizeps. Ich atme tief ein und aus. Weite meine Lungen, so gut es geht. Das Fenster meines Zimmers steht weit offen.
    Im Nebenzimmer höre ich meine Mutter herumwerkeln. Sie kommt und geht, wie es ihr beliebt. In meinem Gefängnis fühlt sie sich wie zu Hause. Sie ist meine Zellenwärterin.
    Von Zeit zu Zeit kommt auch mein Vater vorbei. Er hat sich erst einmal in seine Ferienwohnung ins Ayas-Tal zurückgezogen, dem Ort des Verbrechens. Er nimmt die Lorbeeren der Dorfbewohner entgegen, die ihm zujubeln. Er trinkt frische Kuhmilch und isst Holzofenbrot und wird wie ein Held behandelt. Er, der Vater der Rächerin. Wortführerin einer Tat, die getan werden musste. Er war es gewesen, der meine Adresse weitergegeben hatte, damit mich all diese Blumen auch erreichen, die mir die Gegenwart so unerträglich machen.
    »Kümmere dich erstmal darum, dass du unbeschadet aus der Sache rauskommst, dann sehen wir weiter«, sagt er mir ein ums andere Mal. Er hat meine Wahl, in den Polizeidienst zu wechseln, nie akzeptiert. Er war schon immer der Meinung, ich sei besser im Reden und Denken als im Handeln.
    »Deine Stärke ist dein Kopf, nicht dein Körper. Kampf und Zerstörung sind nichts für Frauen.«

23
    »Um wie viel Uhr wolltet ihr hingehen?« Funi fragt ganz direkt, um das Misstrauen der Kollegen nicht unnötig zu wecken. Gewisse Dinge macht man besser ohne viel Aufhebens.
    »Heute Abend um zehn«, antwortet der Beamte. »Wollten Sie etwa auch mit?«
    »Eigentlich ja. Aber ich muss erst noch mit der Hauptkommissarin telefonieren. Ich melde mich später noch mal. Danke.« Mit der Kommissarin ist sie gemeint, Maria Dolores Vergani.
    Die regelmäßigen Kontrollen der unter Hausarrest stehenden Beschuldigten werden von den Carabinieri ausgeführt. Zu zweit. Zu jedem beliebigen Zeitpunkt, ob tags oder nachts, mit Diskretion. Bei Nacht genügt eine kurze Anwesenheitskontrolle durch die Gegensprechanlage, bei Tag ein kurzer Besuch und ein Kaffee. Vielleicht ein kleiner Wortwechsel, Blicke, eine Aufmunterung. Ein Abgleich der neuesten Gerüchte. Oft begleitet Funi die Carabinieri. Immer wieder auch Michele Conti, der Verlobte der Kommissarin, der bei der italienischen Sondereinheit NOCS arbeitet. Ein, zwei Zigaretten lang bleiben die Kollegen, Michele Conti vielleicht auch mal eine ganze Nacht.
    »Guten Tag, Frau Kommissarin. Ich bin es, Funi.« Stets höflich, auch wenn sie bereits seit Monaten immer die gleichen Telefonate führen.
    »Wie geht’s Ihnen?« Ihre Stimme klingt dunkel, monoton.
    »Gut. Heute Abend um zehn werden die Carabinieri zur Kontrolle vorbeikommen. Würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn ich mitkäme?«
    »Nein, geht in Ordnung, Funi. Danke.« Sie freut sich, auch wenn sie es nicht zeigen kann.
    »Brauchen Sie etwas?«
    »Nein, vielen Dank.«
    »Dann sehen wir uns also heute Abend.«
    »Kommen Sie alleine?«
    »Ja. Möchten Sie, dass ich Corsari auch Bescheid gebe?«
    »Nein. Lassen Sie das mal ruhig, Funi.«
    Das war die richtige Antwort. Sie hatte begriffen, dass Pietro Corsari imstande wäre, einen simplen Anstandsbesuch in ein Verhör umzuwandeln. Fragen, der Versuch zu verstehen, pseudophilosophische Deutungen. Maria Dolores Vergani hatte Corsari niemals ins Vertrauen gezogen, und genau das konnte er ihr nicht verzeihen. Hinzu kam seine Vermutung, sie könne sich stattdessen Funi anvertraut haben. Jeder Versuch, dies herauszufinden, blieb ergebnislos, weil Funi alles bestritt. Er war solidarisch und hatte etwas Wichtiges begriffen: Pietro Corsari hatte ihn im Blick. Er hatte erkannt, dass seine Kollegin, obwohl sie unter Hausarrest stand und der fahrlässigen Tötung beschuldigt wurde, noch immer stärker war als er. Und das machte ihn nervös.
    »Der Junge hat erneut nach Ihnen gefragt. Erinnern Sie sich? Angelo.« Funi sitzt im Sessel, während Maria Dolores’ Mutter ihm einen Kaffee reicht. Dann wünscht sie beiden eine gute Nacht.
    »Danke, Mama«, sagt die Hauptkommissarin und ist sich darüber im Klaren, dass dies das meistbenutzte Wort überhaupt ist: Danke .
    »Ja, ich erinnere mich. Ich hatte noch keine Zeit, mich bei ihm zu melden. Außerdem kann ich in der Lage, in der ich mich derzeit befinde, sowieso für niemanden etwas tun. Ich kann mir ja nicht mal eine Zeitung holen. Fragen Sie ihn doch einfach, was er will, und dann kümmern Sie

Weitere Kostenlose Bücher