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Ich will dir glauben

Ich will dir glauben

Titel: Ich will dir glauben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabetta Bucciarelli
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verlangt das von ihr. Gehorsam und Respekt. Anna bereitet sich vor. Sie zieht ihren Pullover aus, knöpft mit ihren Spinnenfingern ihre Bluse auf, faltet alles sorgsam zusammen und legt es auf den Bettrand. Dann streift sie ihre Hose ab, zieht ihre Socken aus und öffnet ihren BH , sodass sie nur noch in der Unterhose dasitzt.
    »Gut so. Und jetzt knien Sie sich hin. Mit aufrechtem Oberkörper. Legen Sie ruhig Ihren Rosenkranz für einen Moment aufs Bett«, weist sie der Arzt an.
    »Kann ich ihn nicht behalten?« Sie streckt ihm die kleine rosafarbene Kette entgegen.
    »Heute nicht«, entgegnet er. »Versuchen wir, uns von allem zu befreien, was uns am Irdischen festhält. Symbole, Blendwerk. Legen Sie ihn zusammen mit den Kleidern aufs Bett. Später können Sie ihn dann wiederhaben.«
    Anna tut, was man ihr sagt. Dann kniet sie sich erneut nieder, nur mit ihrer weißen, knappen Unterhose bekleidet. Sie ist komplett rasiert. Jung. Ausgemergelt. Als hätte der Bildhauer etwas zu viel Marmor abgeschlagen. Sie hat etwas Zartes an sich, das im kompletten Gegensatz zu den kantigen Linien ihres Körpers steht.
    »Wie fühlen Sie sich?«, fragt der Arzt.
    »Gut«, lautet ihre Antwort. »Ich habe in den vergangenen Tagen viel gebetet und Simone Weil gelesen.«
    »Erinnern Sie sich an das, was Sie gelesen haben?« Der Arzt schaut ihr noch immer fest in die Augen.
    »Ich erkenne mich wieder in ihrem Bestreben nach einer vollkommenen Wahrnehmung der Welt«, lautet die Antwort ohne das geringste Zögern.
    »Und was sagt Simone Weil über den Körper? Erinnern Sie sich?«
    »Natürlich. Durch sie habe ich begriffen, dass Verständnis nur über den Körper funktioniert, über den Kontakt mit der Welt«, erwidert sie beseelt und etwas unsicher. Mit hervorspringenden Rippen und ausgehöhlten Hüften. Die Haut über ihren Brüsten ist zerkratzt, mit leichten Schürfungen und Rötungen, als wäre sie zu lange der Sonne ausgesetzt gewesen. Oder als hätte man die Haut mit einem groben Schwamm gerieben.
    »Wie nah sind Sie schon Ihrem Ziel, Anna?«
    »Ich bin seines noch nicht würdig, ich habe noch einen weiten Weg vor mir. Ich muss mich von den materiellen Ketten befreien, meinen Körper reinigen.«
    »Wollen wir etwas konkreter werden, Anna?«
    »Ja, Herr Doktor. Bis wir, beschränkte Intelligenzen, limitiert durch unsere Körper, die grenzenlose Materie beherrschen können, ist es notwendig, dass diese Grenzen unterworfen werden. «
    »Gut, Anna. Jetzt versuchen wir, diese komplexen Gedanken auf ganz einfache Weise umzusetzen. Legen Sie sich auf den Boden.«
    Das Mädchen liegt bäuchlings auf der Erde. Ihr ist kalt. Der rohe Stein presst sich gegen ihren Körper. Die Knie schmerzen, die Arme scheinen bei jeder Bewegung zerbrechen zu können.
    »Los, Anna.«
    Anna beginnt vorwärtszukriechen wie eine Schlange, windet sich, scheuert mit ihrem Körper über den Boden, wobei sie den Kopf etwas nach oben reckt. Sie schleift das mit, was von ihr noch übrig ist: nicht viel mehr als eine lästige Fessel. Ein Saugnapf aus Haut, der am Stein zu kleben scheint, sich daran heftet. Sie spreizt die Knie nach außen, wie die Beine einer Heuschrecke. Dann hat sie ihr Ziel erreicht. Sie legt die Wange auf die Schuhspitze des Mannes, der sie führt. Der Arzt sitzt breitbeinig auf einem Stuhl.
    »So ist es gut, Anna. Nun richten Sie sich wieder auf, ganz langsam. So ist es gut. Aus dem Umstand heraus, dass wir einen Körper haben, ist die Welt um diesen Körper geordnet; sie ist geordnet in Bezug auf die Reaktion des Körpers … Ja, gut so. Weiter. Gut machst du das.«
    Anna isst nichts. Reihen von Krümeln. Abgezählte Reiskörner. Drei, fünf, acht. Bis dreißig. Lebt von Salatblättern. Und schluckt Spermien.

28
    »Raten Sie mal, wo ich gerade bin, Frau Kommissarin.«
    »Ich habe absolut keine Ahnung, Funi. Nach den Geräuschen im Hintergrund zu schließen, irgendwo im Freien.« Maria Dolores kann sich bei derartigen Überraschungsanrufen von Funi oft ein Grinsen nicht verkneifen.
    »Ich bin in einem dichten Wald und spaziere gerade eine steile Anhöhe hinauf. Das wäre was für Sie hier. Nichts als blühende Büsche um mich herum. Die Bäume allerdings sind noch kahl, dazu ist es zu früh im Jahr. Man hat mir gesagt, für die Jahreszeit sei alles noch sehr spät dran.« Er schnauft, während er emporsteigt.
    »Funi, machen Sie langsam, Sie bekommen sonst noch einen Herzinfarkt. Wo um Himmels Willen sind Sie eigentlich?« Für einen kurzen

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