Ich will dir glauben
DOLORES VERGANI : Wie geht es deiner Familie?
19:02 LUCA RIGHI : Den Kindern geht es gut.
19:05 MARIA DOLORES VERGANI : Und deiner Frau?
19:10 LUCA RIGHI : Ihr auch, glaube ich.
19:25 MARIA DOLORES VERGANI : Wo bist du jetzt?
19:27 LUCA RIGHI : In der Kaserne.
19:45 LUCA RIGHI : Wenn alles vorbei ist, dann werde ich dich zum Essen ausführen.
19:48 MARIA DOLORES VERGANI : Wo schläfst du heute Nacht?
19:55 LUCA RIGHI : Daheim. Oben, in einem separaten Zimmer. Jeder von uns hat jetzt sein eigenes Zimmer. Solange ich noch keine Wohnung habe.
20:00 MARIA DOLORES VERGANI : Bist du nicht mehr in der Pension?
20:05 LUCA RIGHI : War zu teuer.
20:15 MARIA DOLORES VERGANI : Ach so.
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»Ich wollte dir ja alles erklären.« Maria Dolores spricht in den Telefonhörer hinein. Im Hintergrund das unerbittliche Getöse des Staubsaugers, durch das Fenster der anhaltende Lärm der östlichen Umgehungsstraße, der sich unter den des Fernsehers mischt, und vom oberen Stockwerk gekünsteltes Gelächter.
»Was denn erklären? Wie ein Computer funktioniert? Was ein Chat ist? Der Typ weiß nur zu gut, dass er auf Abstand gehen muss. Hat er dir eigentlich erzählt, dass wir miteinander gesprochen haben?« Michele Conti wirkt gelassen. Er ruft von weit weg an, muss sich kurzhalten, und außerdem will er etwas Wichtiges mit ihr besprechen. Das konnte man seinen einleitenden Sätzen entnehmen, bevor er ihr das Wort überließ.
»Hör mal, Michele. Ich habe nicht vor, irgendwas vor dir zu verbergen. Wir haben uns zwar gehört, aber du musst mir glauben, zwischen uns ist nichts passiert und wird auch niemals etwas passieren. Aber ich muss dich jetzt was fragen, und du musst mir ehrlich antworten.« Die Wahrscheinlichkeit ist gering, dass sie dieses Mal eine andere Antwort erhält als sonst, aber sie ist stur und gibt nicht auf.
»Dann frag«, fordert er sie auf.
»Und du sagst mir wirklich die Wahrheit?«
»Erspar mir deine Frage, ich sag’s dir auch so. Und wenn ich zurück bin, dann sprechen wir ausführlich darüber. Manch …« Ein seltsamer Krach unterbricht ihn.
»Hallo?«, ruft sie in den Apparat. Die Verbindung ist gestört, sie kann nichts mehr hören. Sie rennt zu ihrer Mutter, reißt am Kabel des Staubsaugers und hält mit dem Stecker auch gleich noch die gesamte Steckdose in der Hand. Ihre Mutter will etwas einwenden, doch Maria Dolores gibt ihr ein Zeichen, gefälligst den Mund zu halten. Dann kehrt sie in ihr Zimmer zurück und schließt das Fenster.
»Der Satellit spinnt irgendwie. Hörst du mich noch, Maria Dolores?«
»Jetzt höre ich dich wieder. Sprich weiter.«
»Ich habe dich auch betrogen. Aber es ist längst aus, und wenn ich zurück bin, sprechen wir darüber. In ein paar Tagen. Wart …«
Stille.
Sie behält das Telefon am Ohr. In ihrem Kopf klingen seine Worte nach: Ich auch . Sie hört, wie die Verbindung abbricht, und schleudert den Apparat gegen die Wand. Er fällt auseinander. Ihre Mutter steht in der Tür ihres Zimmers und blickt sie an.
»Ich mache mir wirklich Sorgen um dich.«
»Vergiss es. Ich kauf dir ein neues.«
Die Aggressivität, die sich endlich in Taten Luft macht. Taten, die ich früher nie begangen hätte. Die Wut, die ich mir eingestehe. All das sind Zeichen für mich, dass ich drauf und dran bin, ein anderer Mensch zu werden.
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»Anna Tura wohnte mindestens eine Woche in dem Gasthof am Fuße der Wallfahrtskirche von Civate, bevor sie dann bei Pina Maggi Unterschlupf fand. Eine etwas schrullige Frau, die sich mit Mariengebeten und so Kram abgibt. Sie wissen schon, so ähnlich wie diese Sekte von Emmanuel Milingo. Sie bietet allen möglichen orientierungslosen Menschen ein Dach über dem Kopf und Hilfe.«
»Und was hat sie dort gemacht?«, fragt Maria Dolores, während sie das angeheftete Kärtchen von einem Strauß langstieliger weißer Rosen löst. Die Blumen waren beim Floristen in der Nähe des Polizeipräsidiums gekauft worden.
»Sie half Pina Maggi, las in der Bibel und besuchte von Zeit zu Zeit die Kirchen, die am Pilgerweg des Heiligen Augustinus liegen. Wissen Sie, welche ich meine?«
»Nein, keine Ahnung. Aber ich vertraue Ihnen, Funi.« Sie öffnet das Kärtchen. In der Hoffnung, dass sie irgendwann wieder rot werden.
»Bei der Maggi sind circa zwanzig Personen untergebracht, alle mit gravierenden Problemen.« Er bemerkt, dass die Hauptkommissarin errötet. Ganz sicher nicht als Reaktion auf seine Äußerung. Also fährt er schnell in seinem Bericht fort,
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