Ich will doch nur küssen
Verbündete gefunden, und sie hatte nicht vor, allzu bald wieder aus Serendipity zu verschwinden. Diese Stadt war auch ihr Zuhause, daran würde sich Lissa wohl oder übel gewöhnen müssen.
Faith betrachtete ihre Erzfeindin unauffällig. Lissa hätte mit ihren seidig glänzenden schwarzen Haaren und den großen grünen Augen durchaus attraktiv wirken können, wenn sie nicht ständig die Stirn in Falten legen würde. Dann fiel Faith wieder ein, dass Kate erwähnt hatte, Lissa sei von ihrem Mann betrogen worden und seit Kurzem geschieden, und sie beschloss, sich ihr Verhalten nicht zu Herzen zu nehmen.
Sie kehrte mit ihrer Aufmerksamkeit zurück zu Stacey, die sie seit zehn Jahren nicht mehr gesehen hatte. »Du musst mir unbedingt erzählen, was sich in deinem Leben so alles getan hat.«
»Gleich. Zuerst brauchen wir etwas zu trinken. Wie ich sehe, hast du schon angefangen«, meinte die Blondine wohlwollend.
»Seht euch das an; das Mädchen aus dem Villenviertel trinkt Budweiser aus der Flasche, genau wie wir!«, ätzte Lissa mit säuerlicher Miene. »Ich nehme auch ein Bud Light!«
»Joe, sei so gut und gib uns allen eins«, bestellte Kate und bedachte Lissa erneut mit einem warnenden Blick.
»Kommt sofort, meine Damen!«, rief Joe.
»Lissa hast du also bereits wiedergesehen, seitdem du wieder in der Stadt bist«, meinte Stacey diplomatisch. »Erinnerst du dich auch an Tanya?«
Faith nickte. »Wir haben in der Schule viele Kurse zusammen besucht.«
»Wir waren auch gemeinsam im Chor«, sagte die dunkelhaarige Tanya. »Willkommen daheim.«
»Danke.« Auch Tanya schien ihr einigermaßen freundlich gesinnt zu sein. Faith war erleichtert, dass sie es nicht mit einer weiteren Lissa zu tun hatte.
Joe stellte ihnen fünf Flaschen hin.
Die vier Frauen griffen danach, und Kate schob Faith die letzte Flasche hin. »Hier, ich dachte, du hast bestimmt auch nichts gegen ein frisches, kaltes Bier. Joe meinte, unser üblicher Tisch ist jetzt frei, also lasst uns umziehen.«
Ein paar Minuten später hatte es sich Faith mit Lissa, Tanya, Stacey und Kate an deren angestammtem Platz gemütlich gemacht, und die vier plauderten miteinander, wie gute Freundinnen es eben tun. Faith hätte sich am liebsten in ihre kleine Wohnung oben verkrochen, während die anderen einander von den Ereignissen der letzten Tage berichteten, doch sie blieb eisern sitzen.
Kate versuchte zwar mehrfach, sie in die Unterhaltung mit einzubeziehen, aber früher oder später konnte Faith den diversen Geschichten über all die Leute, die sie nicht kannte, nicht mehr folgen. Wieder einmal war sie die Außenseiterin. Sie klemmte die zusammengepressten Hände zwischen ihre Oberschenkel und sagte sich, dass es bei jedem Treffen besser werden würde, sei es, wenn sie sich mit Kates Freundinnen traf oder mit anderen Menschen, die sie von früher kannte. Sie würde sich bestimmt mit jedem Mal wohler fühlen.
»Meine Damen und Herren!«, dröhnte Joes Stimme plötzlich aus den Lautsprecherboxen. »Jetzt ist der Augenblick gekommen, auf den Sie alle gewartet haben.«
Auf seine Ankündigung folgte lautes Gejohle und Gebrüll.
»Es ist Zeit füüüür … Karaoke!« Joe war der geborene Entertainer. Mit großer Geste zog er eine breite Rollleinwand hinter sich hinunter. »Das hier ist für alle, die mitsingen möchten – und für diejenigen unter unseren Solisten, die nicht ganz so textsicher sind«, erklärte Joe. »Los gehts, Lenny!«
Der DJ legte sogleich einen schwungvollen ersten Song auf – die instrumentale Version von »Don’t Stop Believin’« der Band Journey – , während der dazugehörige Text über die Leinwand lief.
Die Menge applaudierte.
»Wer möchte anfangen?«, fragte Joe.
»Ich verstehe nicht, warum er das jedes Mal wieder fragt, wo es doch quasi eine feste Reihenfolge gibt.« Tanya schüttelte seufzend den Kopf.
»Pass auf«, flüsterte Kate Faith ins Ohr.
Ein übergewichtiger Mann, der sich ein paar kümmerliche Haarsträhnen über seine Glatze frisiert hatte, betrat die Bühne und nahm das Mikrofon zur Hand. »Gibt es irgendwelche Wünsche?«, rief er in die Menge.
Faith erkannte den Mann nicht. »Wer ist das?«
»Das ist Bill Brady!«, erklärte Kate.
»Der Quarterback?«
»Genau.«
»War das nicht mal der Freund von … «
»Richtig.« Stacey ließ beschämt den Kopf hängen, um das Gesicht hinter ihren Haaren zu verbergen.
Faith grinste. »Wow. Was ist denn mit dem passiert? In der Schule war er doch noch total
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