Ich will doch nur küssen
stolzierte sie an ihm vorbei und zur Tür hinaus.
Autsch , dachte Faith. Das Kind sollte schleunigst lernen, wann es an der Zeit war, sich zurückzuhalten.
»Kindermund tut Wahrheit kund«, murmelte Ethan.
»Du warst doch selbst noch ein halbes Kind damals«, erinnerte sie ihn. »Lass dich von Nash und Dare nicht fertigmachen. Jetzt hast du eine Gelegenheit zur Wiedergutmachung.«
Er blickte sie erstaunt an. »Tess hat den Streit also mitangehört?« fragte er, als hätten sich seine schlimmsten Befürchtungen bewahrheitet.
Faith nickte. »Leider, ja.«
»Und sie musste dir natürlich gleich brühwarm alles erzählen«, sagte er matt.
»Ehrlich gesagt glaube ich, dass du ihr leid tust; sie weiß bloß nicht, wie sie ihren Gefühlen Ausdruck verleihen soll. Wenn du ihr gegenüber jetzt ein bisschen nachsichtig bist, wird sie es vielleicht auch sein.« Faith wusste nichts über die Erziehung eines Teenagers, aber sie spürte, dass Tess in dieser Situation gern etwas auf ihren Bruder zugegangen wäre.
Er hob eine Augenbraue. »Nur weil Tess dir ihr Herz ausgeschüttet hat, heißt das noch lange nicht, dass dich das alles etwas angeht.«
Faith biss sich in die Wange. Ihr war klar, weshalb er sie anfuhr, aber sie musste es sich trotzdem nicht gefallen lassen. »Du solltest es dir lieber nicht mit mir verscherzen, schließlich gibt es nicht besonders viele Leute, die auf deiner Seite stehen.«
»Tja, und das ist mir ganz recht so. Du hättest auf dein Gefühl hören und dich von mir fernhalten sollen.« Er zog den Autoschlüssel aus der Tasche und stürmte hinaus.
Faith ging zum Fenster und sah zu, wie die beiden ins Auto stiegen und Ethan ausparkte. Er glaubte wohl, er hätte sich geschickt aus der Affäre gezogen. Das Problem war nur, dass sie ihn nicht einfach so gehen lassen konnte.
Ethan hatte einen schweren Schlag einstecken müssen, den er nicht verdiente, zumal er sich selbst schon genügend Vorwürfe wegen der Fehler machte, die er in der Vergangenheit begangen hatte. Tess brauchte Ethan, aber er brauchte auch jemanden. Faith durfte ihn heute Nacht nicht mit seinem Selbsthass und seinen düsteren Gedanken allein lassen. Sie war die Einzige, die jetzt zu ihm durchdringen konnte.
Gott steh mir bei, dachte sie.
Ethan umklammerte das Lenkrad mit beiden Händen. Er war noch viel zu gereizt, um mit seiner Schwester zu reden. Die Wunden, die ihm seine Brüder zugefügt hatten, waren noch zu frisch. Als er Faith vorhin gesehen hatte, in der grauen Jogginghose, dem weiten T-Shirt und dem lockeren Pferdeschwanz, als wäre sie gerade erst aus dem Bett gekrochen, da hatte er kaum noch an sich halten können. Und dann erst ihr sanfter, sorgenvoller Blick! Nein, er war jetzt wahrhaftig nicht in der Stimmung für ein verbales Duell mit einem großmäuligen Teenager.
»Mann, du hast es aber ordentlich verbockt, nicht? Wir haben wohl doch einiges gemeinsam«, bemerkte Tess. Sie wirkte äußerst zufrieden mit ihm und mit sich selbst.
Er biss sich in die Wange. »Heißt das etwa, du wirst zur Abwechslung meine Nerven schonen und dich benehmen?«
»Vergiss es.« Sie brach in schallendes Gelächter aus. Damit hatte er nun wirklich nicht gerechnet. Er musterte sie kurz von der Seite, dann widmete er seine Aufmerksamkeit wieder der Straße. Eigentlich sah sie ziemlich süß aus, wenn sie lächelte und dieses Strahlen in den Augen hatte. Richtig hübsch sogar, aber das behielt er mal lieber für sich.
»Okay«, murmelte er. »Wie wär’s dann wenigstens mit einem Waffenstillstand? Über dein Benehmen unterhalten wir uns dann morgen.«
Sie verschränkte die Arme vor der Brust. »Nur wenn wir auch über das reden, was ich gehört habe.«
Er umklammerte das Lenkrad etwas fester. »Das ist hier keine Demokratie«, knurrte er.
»Ganz recht, es ist eine gottverdammte Diktatur.« Sie wandte sich demonstrativ von ihm ab und starrte aus dem Fenster.
Er öffnete den Mund, um ihr zum x-ten Mal einzuschärfen, sie solle nicht fluchen, überlegte es sich dann aber anders.
Für heute Abend reichte es ihm.
Zu Hause war Rosalita noch immer mit dem Haushalt beschäftigt. Sie hatte soeben die Waschmaschine angeworfen und wollte noch bleiben, bis sie fertig gewaschen hatte. Ethan wusste ihren Einsatz sehr zu schätzen – mehr, als sie sich vorstellen konnte und mehr, als er im Augenblick zuzugeben gewillt war.
Tess verschwand ohne ein weiteres Wort in ihrem Zimmer, und er tat es ihr nach.
Eine Stunde lang drangen in
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