Ich will doch nur normal sein!
passiert. Ich wollte nicht zusehen, ich wollte etwas sagen, etwas tun, ich konnte mich wirklich nicht bewegen. Es tut mir so schrecklich leid und ich schäme mich dafür, dass ich dir nicht geholfen habe. Wenn ich wenigstens Deine Haare gestreichelt hätte, damit du weißt, ich bin nicht so böse. Ich wollte es so gern tun, aber ich konnte mich nicht bewegen.
Auch, wenn man mir sagt, dass ich es schaffe, damit zu leben, ich kann es mir nicht vorstellen. Das ist in mir drin, dieses Alles, was ich beschrieben habe und es ist nicht einmal alles genug beschrieben, um begreiflich zu machen, wie schlimm es ist und wie schrecklich schmerzhaft, das ist als würde ich innerlich zerrissen, das tut so weh und dazu das Gefühl, ich muss mich verkriechen, ich muss mich dafür schämen.
Verdammt, ein Autounfall wäre auch schrecklich, aber hier das, das war kein Autounfall und ich muss mich verkriechen damit, weil über einen Autounfall kann man reden aber darüber? Was ist los? Wieso bist du solange in der Klinik? Wie lange bist du denn noch hier? Es war für mich schlimm, aber ich bin noch da und was soll ich für Antworten geben? Wie soll ich mich rechtfertigen, dass ich noch da bin, noch lebe. Wie soll ich erklären, warum ich solange in der Klinik war, ohne mich zu schämen.
Ich wollte den Tagesbericht schreiben und was hätte ich draufschreiben können. Ich habe Schmerzen, kann vor Schmerzen nicht richtig laufen.
Es zerreißt mich bald vor Trauer, Schmerz und Scham und ich kann es nicht aushalten, auch wenn ich versuche es nicht zu zeigen. Keiner weiß, wie das ist, das aushalten zu müssen.
Es sind zwei Mädchen gewesen, wo ich mit zusehen musste, wie sie gequält wurden und wie sie auf einmal still waren, nicht mehr geschrieen haben und gestorben sind.
Heute ist nun schon der 18.5.2005
Ich habe immer noch die Stufe, also am Tag stündliche Kontrolle und nachts alle 2 Stunden. Ist mir aber alles so egal. Es ist mir egal, ob ich nicht raus darf, ich habe kein Verlangen danach.
Letzte Woche sind fast alle Patienten, die ich kannte heimgegangen, die Betten waren innerhalb von 2 Tagen wieder alle belegt, nur ich bin seit Dezember hier und es sind jetzt 5 Monate – gestern auf den Tag 5 Monate. Heute ist gemeinsames Grillen im Park, alle sind draußen. Mich vermisst keiner, da mich kaum jemand kennt, bin ja meist nur in meinem Zimmer, was soll ich auch mit den anderen reden? Worüber? Über deren Beziehungs-, Arbeitsprobleme, das kann ich nicht. Ich habe in letzter Zeit einfach Angst loszuschreien, was meint ihr denn, was ich aushalten muss – ich würde gerne tauschen. Ich weiß, dass ist sehr ungerecht und es wird nicht passieren, doch manchmal bin ich so nah daran wenigstens ein bisschen von mir zu sagen, damit ich nicht so allein bin und mich nicht so isoliert fühle. Ich sehe es doch jetzt wieder, alle sind unten und plaudern, sind zusammen und ich...
Runtergehen kann ich nicht allein, nur mit Schwester und dann habe ich auch so schreckliche Kopfschmerzen, die ich kaum ertragen kann. Ich würde schon auch gerne ein gegrilltes Steak und ein Würstchen mit Salat essen, aber daraus wird wohl nichts werden. Hunger habe ich, habe heute nach dem Einzel mein Mittagessen nicht essen können, ich war so fertig und wollte nur zur Ruhe kommen und das habe ich geschafft mit Tavor und mit Schneiden. Erst war mein linker Arm dran, dann mein rechter Arm. Die Kopfschmerzen sind aber immer noch da und auch so geht es mir nicht gut. Ich wünschte mir jemand, der mich mal festhält, einfach nur festhält, wenn ich fast kaputtgehe daran. Aber da ist niemand. Da ist keine Mutti, keine Freundin. Eine richtige Freundin hatte ich nur einmal, (ich meine, so eine, der ich viel von mir erzählt und anvertraut habe), und ich dachte, es wird für immer so bleiben.
Ich habe sie hier in der Klinik kennen gelernt. Es hat nur 2 Jahre gedauert, dann war es vorbei mit der Freundschaft. Das hat mir sehr wehgetan und ich habe meine Freundin und Vertraute auch sehr vermisst, aber jetzt werde ich es nicht mehr soweit kommen lassen, mich jemandem so anzuvertrauen und jemand so zu vertrauen, da kann ich auch nicht mehr enttäuscht und verletzt werden. Es wäre schon schön, wenn da jemand wäre, wenn es mir so schrecklich schlimm geht, der mich in die Arme nimmt und tröstet und beruhigt und wo ich mich sicher fühle und auch ruhig werde. Wünschen tu ich mir das sehr oft, doch wenn mich dann wirklich mal jemand in den Arm nimmt, wenn es mir so
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