Ich will doch nur normal sein!
weiß einfach nicht, wie ich das schaffen kann, ohne ständig daran zu denken, mich umzubringen, es sogar zu versuchen, wenn ich es nicht mehr aushalten kann.
Am Wochenende war ich zu Hause. In meiner Wohnung, bei meinem Mann und meinen Tieren. Wir haben 3 Katzen, einen Dackel und einen Papagei. Es ist gut, dass die Tiere da sind, sie haben mich schon oft davor bewahrt, einfach Schluss zu machen. Sie helfen mir auch immer wieder in Bewegung zu kommen, weil sie versorgt werden müssen. An mich selbst denke ich nicht, aber das die Tiere Futter haben müssen und es sauber haben müssen, das ist eine Pflicht für mich, die ich einhalte, egal wie es mir geht – das schaffe ich immer noch und wenn es das Einzige ist, was ich am Tag schaffe.
Unser Papagei redet sehr viel und er schafft es oft, dass ich lachen kann. Es ist dann fast so, als wäre ich in einer falschen Welt. Es gibt ein Hier und ein damals. Meist bin ich im Damals und wenn nicht, dann bin ich oft einfach gar nicht da, tue, was zu tun ist. Existiere eben, weil ich existiere. In den letzten Monaten habe ich sehr oft gedacht, wieso Ich? Wieso bin ich noch übrig? Warum lebe ich noch? Es wäre besser, ich wäre genauso tot, wie die Mädchen! Ich schäme mich, dass ich noch da bin. Und ich frage mich auch, wie ich es schaffen soll, einfach weiter zu leben, einfach hier zu sein. Es sagt sich so einfach: „Das ist Vergangenheit, das ist vorbei.“ Es ist nicht vorbei. Es wird nie vorbei sein, das weiß ich. Wenn ich sehe, wie schön draußen alles ist. Mai, alles schön grün.
Die Leute leben alle – ich bin auch am Leben, aber ich lebe nicht. Ich bin nur da und das um mich herum ist nicht richtig. Ich habe in den letzten Wochen so oft gedacht, ich will reden, alles jedem erzählen. Aber kann man das jemandem erzählen? Nein, man kann nicht und ich kann nicht. Ich denke sogar in der Therapie, nein, das kann ich nicht sagen, das kann ich niemand antun, auch nicht meinem Therapeuten. Ich fühle mich sicher bei ihm, habe Vertrauen, aber darum geht es nicht, es geht darum, dass man einfach niemand damit belasten kann. Wie oft wollte ich einfach alles erzählen. Es sagen, damit noch jemand weiß, was passiert ist damals und dann schweige ich doch und denke: „Nein, das ist zu grausam. Und, was ändert es, wenn ich das erzähle? Macht es etwas ungeschehen? Kann ich irgendetwas tun, um jemand zu bestrafen? Nein. Ich war 8 Jahre und jetzt bin ich 53. Das ist sinnlos.“
Ich möchte hinfahren, Spuren suchen, das Haus finden, die Männer finden. Ich weiß nicht, wo das Haus ist, ich weiß nicht, wie die Männer hießen und jetzt sind die vielleicht nicht mehr am Leben. Ich hoffe es – wenigstens das. Reden, Schreien, es würde keinem mehr helfen können, keiner könnte mehr etwas dagegen tun. . Also stelle ich mir eben oft die Frage, wozu bin ich noch da, wozu musste ich übrig bleiben – warum muss ich damit leben.
Am 7.6. werde ich entlassen. Ich möchte einfach weg hier, raus aus diesem Zimmer. Aber eigentlich will ich weg davon, weil ich nicht mehr kann, keine Kraft mehr habe weiter zu machen. Eine Therapiepause bis 15.8.. Es wird keine Pause, ich werde nur nicht hier sein. Alles wird bei mir sein, bei mir bleiben und ich muss es aushalten. Werde ich es schaffen, solange durchzuhalten ohne mich umzubringen? Ich habe Angst davor, denn ich kann nicht mehr, möchte nicht mehr daran denken, nicht mehr die Bilder sehen, die Schreie hören. Nur, danach, was ich möchte, fragt mich mein Kopf nicht. Als ich am Anfang meiner Therapie stand, war mein einziger Wunsch: „Ich möchte doch nur normal sein.“ Ich habe nicht gewusst, was auf mich zukommt. Damals wusste ich fast nichts mehr und trotzdem schon genug, um mich zu schämen und um mich anders zu fühlen, eben nicht normal.
Jetzt denke ich nicht mehr: „Ich möchte doch nur normal sein.“
Jetzt ist die Frage: „Kann man damit leben? Kann ich damit leben? Wie soll ich das schaffen? Will ich damit leben? Will ich noch leben? Weiß denn jemand, wie das ist?“
Ich fühle mich als Außenseiter. Fühle mich isoliert, nicht, weil ich isoliert bin, allein bin. Nein, weil ich damit allein bin. Weil ich einfach nicht zu denen, die lustig sind, die frei sind, die reden können, dazu gehöre. Weil ich allein bin. Ich bin nicht allein, sicher ich habe meinen Mann, ich habe die Klinik, alle hier helfen mir wirklich und doch bin ich allein, weil ich nicht reden kann. Das Leben ringsherum und das, was ich weiß, das passt
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