Ich will endlich fliegen, so einfach ist das - Roman
entscheiden? Was kann mir schon passieren? Mehr als Nein sagen kann er nicht und dann weiß ich jedenfalls Bescheid.
Mit steifen Fingern tippe ich eine SMS.
Hi, Tonja ist ja heute mit Lukas verabredet, da wollte ich fragen, ob du schon was vorhast oder ob wir uns treffen wollen? Vendela
Ich starre auf den Text, und während ich beschließe, die Mitteilung nicht abzuschicken, drückt mein Daumen auf »Senden«. Pling, macht mein Handy und schon ist die Nachricht auf dem Weg zu Nils. O nein! Totalpanne! Was, wenn er jetzt mit irgendeiner Ausrede kommt, um sich nicht mit mir treffen zu müssen, und ich sehe ihn die nächsten zwei Halbjahre jeden Tag und schäme mich zu Tode? Es gibt einen Grund, warum man nichts mit Jungen aus der eigenen Klasse anfangen soll!
Ich ziehe die Schuhe an. Bestimmt schläft er noch. Hoffentlich stellt er sein Handy nachts auf lautlos. Hoffentlich wecke ich ihn nicht mit meiner SMS. Das wäre noch peinlicher. Ich stürme die Treppe runter, als wäre ich auf der Flucht. Als könne man vor einer losgeschickten SMS flüchten.
Als ich den Schlüssel in das Schloss zum Fahrradraum stecke, vibriert mein Handy. Zwei kurze Töne. Ich stehe da wie angewurzelt. Ist er das? So schnell? Das kann nicht sein. Vielleicht ist das Tonja, die früh wach geworden ist. Wahrscheinlich. Erst mal aufschließen und das Rad rausholen. Dann die SMS lesen. So eilig ist es ja nun auch wieder nicht. Aber die Hand hat den Schlüssel losgelassen und greift stattdessen nach dem Handy. Eine neue Mitteilung . Mein Herz pocht. Die kann nicht von ihm sein. Nicht so schnell. Aber wenn sie von ihm ist, muss er sofort geantwortet haben. Das muss natürlich nichts heißen. Mein Gott, bin ich bescheuert! Eine Reihe von Alternativen rauscht durch meine Gehirnwindungen, bis mein Finger »Öffnen« drückt und die SMS aufgeht.
Ein Kellner ist krank, und ich hab Papa versprochen, heute Abend einzuspringen. Aber komm du doch ins Akropolis? Hast du Lust?
Ich lese die Mitteilung mehrere Male. Das ist ein Ja. Er will sich mit mir treffen. Er hätte nur zu sagen brauchen, dass er heute Abend arbeiten muss, das hätte völlig gereicht. Das wäre nicht mal peinlich gewesen. Ich hole tief Luft und beiße mir hart auf die Unterlippe. Nicht auf offener Straße rumstehen und blöd grinsen, das tut man nicht. Noch weniger hüpfen und jubeln. Ich antworte kurz, dass ich gern vorbeischaue und wann es denn am besten passt.
Wenn du um sechs kommst, können wir noch was essen, bevor ich ranmuss.
Ich zerre das Rad aus dem Fahrradraum und trampele auf dem Bürgersteig los. Jubidubidu! Was für ein wunderbarer Tag! Was für ein wunderbar grauer, verregneter Samstag!
Silja trägt abgewetzte Jeans, einen langärmeligen Baumwollpulli und schwarze Converse. Das Haar ist lose im Nacken hochgesteckt, ein paar Strähnen fallen ihr ins Gesicht. Sie nimmt die Ohrstöpsel aus den Ohren, als sie mich sieht.
»Hi!«, sagt sie. »Schön, dass du Zeit hast! Ich dachte, du verbringst jede freie Minute mit Tonja.«
Mein schlechtes Gewissen versetzt mir einen kleinen Stich in der Magengrube.
»Tu ich eigentlich auch«, sage ich ehrlich. »Aber um diese Zeit schläft sie noch.«
»Sie mag mich nicht«, sagt Silja.
Das ist eine Feststellung, weder traurig noch empört. Eher wie »die Wand ist blau« oder »da parkt ein Auto«.
»Ihr kennt euch doch gar nicht«, sage ich.
»Ausreichend, denke ich«, antwortet Silja. »Was machen wir jetzt?«
»Ich würde gern ein neues Oberteil kaufen«, sage ich und denke dabei an den Abend mit Nils. »Können wir zu Street gehen und da gucken?«
»Klar.«
Mit Silja Klamotten anprobieren zu gehen, ist etwas anders als mit Tonja. Silja greift nach ganz anderen Sachen als wir und stellt die Teile ganz anders zusammen. Als ich ihr ein Top zeige und frage, was sie davon hält, zuckt sie nur mit den Schultern und meint, dass es so aussieht wie das, was ich sonst auch trage. Stattdessen nimmt sie ein glänzendes, khakifarbenes Tankshirt vom Ständer.
»Probier das mal an«, sagt sie.
Während ich in der Kabine stehe, findet sie eine Kette aus mehreren dünnen Silberketten in unterschiedlichen Längen. Weder die Kette noch das Hemd hätte ich von mir aus gewählt. Aber sie hat recht, die Farbe steht mir ausgesprochen gut und mit dem glänzenden Stoff sehe ich weiblicher aus. Mein Busen wirkt größer darin. Außerdem sieht es richtig cool aus mit den nackten Schultern.
»Ein anderer BH wäre vielleicht nicht schlecht«, sagt
Weitere Kostenlose Bücher