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Ich will endlich fliegen, so einfach ist das - Roman

Ich will endlich fliegen, so einfach ist das - Roman

Titel: Ich will endlich fliegen, so einfach ist das - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beltz & Gelberg
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Silja, als hätte sie meine Überlegungen über Weiblichkeit gehört.
    Ich schaue auf das Preisschild.
    »Zu teuer«, sage ich. »Aber hübsch.«
    »Gibt es keinen guten Secondhandladen in der Stadt?«, fragt Silja. »Manchmal findet man total coole Sachen bei der Stadtmission oder im Fairkaufhaus.«
    »Doch, wir haben einen Secondhandladen«, sage ich. »Gar nicht weit weg. Aber ich weiß nicht, ob es da unbedingt coole Sachen gibt …«
    »Wir können ja mal gucken.«
    Wir laufen einen Wohnblock die Storgatan hoch durch den Regen. Die Wassertropfen glitzern in Siljas dunklem Haar, als wir in den erleuchteten Laden treten. Siljas Augen glitzern auch. Sie macht sich augenblicklich daran, die Ständer und Körbe zu inspizieren. Ich hatte nicht gewusst, wie spannend es in einem Secondhandladen sein kann. Wir probieren Hüte und Kleider an, Trenchcoats und Schuhe mit Killerabsätzen und spielen kurze, improvisierte Szenen zwischen den Regalen. Ich lache, bis ich fast einen Krampf in den Bauchmuskeln kriege. Nach fast einer Stunde kommt eine Frau, die dort arbeitet, und weist uns angesäuert darauf hin, dass das hier kein Spielplatz sei. Beschämt nehme ich den kleinen schwarzen Schleierhut vom Kopf, aber Silja in dem nuttigen, türkisfarbenen Nylonkleid und einem turbanähnlichen Kopfgetürm sieht die Verkäuferin streng an.
    »Sie verkaufen doch Kleider, oder?«, sagt sie. »Und je mehr Leute kommen und was kaufen, desto besser, weil der Ertrag wohltätigen Zwecken zugutekommt, ist es nicht so?«
    »Ja«, sagt die Verkäuferin und sieht leicht verwirrt aus.
    »Dann wäre es doch wirklich bedauerlich, wenn unsere Theatergruppe ihre Ausstattung woanders kaufen würde, oder? Uns stehen fünfzehntausend Kronen für den Kauf von neuen Kleidern zur Verfügung, wäre das nicht eine willkommene Einnahme für Sie? Es wäre doch schade, so viel Geld wegen unfreundlichem Personal zu verlieren. Ihr Chef fände das nicht gut, da bin ich mir sicher.«
    »Ich hatte ja keine Ahnung«, verteidigt sich die Verkäuferin. »Ihr seht so jung aus. Ich dachte …«
    »… alle Theaterschauspieler wären uralt?«, fällt Silja ihr ins Wort. »Aber da irren Sie sich. Sie sollten reger am Kulturleben teilnehmen. Neulich stand übrigens was über uns in der Zeitung. Ein Foto von meiner Freundin war auch dabei.«
    Ich schaue stumm von Silja zu der Verkäuferin, die ein paar Schritte nach hinten macht.
    »Dann probiert mal weiter in aller Ruhe«, sagt sie. »Und fragt, wenn ihr was Bestimmtes sucht. Im Lager ist noch unausgepackte Ware.«
    Die Verkäuferin geht zurück an die Kasse und Silja widmet sich wieder seelenruhig der Kleiderdurchsicht.
    »Du bist ja total verrückt«, sage ich in einer Mischung aus Ernst und unterdrücktem Lachen.
    »Die soll sich nicht so zickig aufführen«, brummelt Silja.
    In dem Augenblick klingelt mein Handy. Es ist Tonja.
    »Hi, was machst du?«, sagt sie. »Kann ich vorbeikommen? Oder komm du besser zu mir und hilf mir bei der Klamottenwahl für heute Abend.«
    »Genau das tu ich grade«, sage ich in einem Versuch, lustig zu sein. »Klamotten ausprobieren. Silja und ich sind im Secondhandladen.«
    Ein paar Sekunden ist es still. »Silja?«
    Ich sehe ein, wie überraschend das für Tonja sein muss. Sie weiß ja noch nicht einmal, dass ich gestern zu Hause bei Silja war. Wir haben am Telefon nur über Lukas gesprochen, ich bin nicht dazu gekommen, es ihr zu erzählen.
    »Hm, aber wir sind bald durch … Ich bin so in einer halben Stunde bei dir, okay?«
    Silja hebt den Blick von einem Metallkorb mit Schals und sieht mich mitleidig an, bevor sie weitergräbt.
    Als ich aufgelegt und das Handy weggesteckt habe, sagt sie: »Dir stehen stärkere Farbtöne. Ich habe da drüben ein tolles Siebzigerjahrekleid gesehen.«
    Wenig später stehe ich in einem kurzen, großzügig grün-orange auf weißem Grund gemusterten, weit ausgeschnittenen Kleid vor dem Spiegel.
    »Schön, oder?«, sagt Silja.
    Ich sehe mich mit Staunen an. Ja, richtig hübsch. Aber sehr ungewohnt.
    »Du bist echt toll schlank«, sagt sie. »Dir passt alles. Dazu ein Paar wolkenkratzerhohe Plateauschuhe, das wäre der Megahit.«
    Sie hat immer noch das türkisfarbene Kleid an, was ihr wieder einfällt, als sie ihr Spiegelbild hinter meinem sieht.
    »Dafür ist das hier echt gruselig«, sagt sie mit einem Lachen. »Was krieg ich, wenn ich Montag darin in die Schule komme?«
    Ich lache. »Noch mehr Probleme mit Emelie.«
    Silja zuckt mit den Schultern.

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