Ich will endlich fliegen, so einfach ist das - Roman
seriöseste Mensch auf Erden. Nicht wie …«
»Nicht wie Nils, oder was?«, beendet Tonja den Satz. »Nein, okay, Lukas ist vielleicht kein tiefschürfender Grübler. Aber deswegen kann er ja wohl trotzdem Gefühle haben.«
»Was weiß ich. Vielleicht. Hast du ihn eigentlich gefragt?«
»Was?«
»Wegen Nils? Ob er was über mich gesagt hat?«
Die Pause ist ein paar Sekunden zu lang, und ich weiß, dass sie es vergessen hat.
»Es hat sich keine Gelegenheit ergeben«, sagt sie. »Nicht der richtige Zeitpunkt.«
»Klar.«
»Beim nächsten Mal. Morgen. Versprochen.«
»Okay.«
Wir reden noch eine Weile weiter, und als wir auflegen, hat sich die Trauer um Anton wieder in ihren gewohnten Winkel in mir zurückgezogen. Nichts wird besser, wenn man alte Wunden aufreißt und darin herumwühlt. Es ist, wie es ist. Man muss nach vorne schauen. Sich um Sachen kümmern, die man beeinflussen kann.
Ich beschließe, ohne Tonjas Hilfe noch einen letzten Versuch mit Nils zu starten. Morgen. Wenn er dann nach wie vor kein Interesse zeigt, schieß ich ihn endgültig in den Wind. Es gibt ja wohl genügend andere Jungs mit schönen Lippen und schönen braunen Augen! Warum suche ich mir nicht einen Wikingertypen wie Sven? Ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen, als ich mir vorstelle, dass eine wie ich versucht, einen wie Sven aufzureißen. Es muss Siljas direkte Art sein, die mich auf solche verrückten Ideen bringt.
Regentropfen trommeln gegen mein Fenster, als ich am Samstagmorgen wach werde. Es ist Viertel nach neun, und meine wilde Entschlossenheit von gestern Abend, was Nils betrifft, ist nicht mehr ganz so wild. Aber ich werde es durchziehen, allen Widerständen zum Trotz. Nach dem Frühstück oder im Laufe des Vormittags. Nachdem ich Tonja gefragt habe, ob sie es für eine gute Idee hält.
Ich ziehe meinen Bademantel an, schmiere mir ein paar Brote und setze mich an den Küchentisch. Mama kommt, eingehüllt in eine Duftwolke aus Shampoo und Seife, aus dem Bad. Der Himmel ist grau und draußen ist das Geräusch von Autoreifen auf nassem Asphalt deutlich zu hören.
Tonja schläft samstags meistens bis elf oder zwölf, also frühstücke ich in aller Ruhe und gehe ausgiebig duschen. Als ich vor dem Spiegel stehe und meine Haare föhne, klingelt das Telefon. Papa geht ran und ruft gleich darauf nach mir.
»Ein Mädchen, für dich, ich hab den Namen nicht verstanden.«
Ich nehme den Hörer aus seiner Hand. Ein schneller Blick auf das Display hilft mir auch nicht weiter. Unbekannte Nummer.
»Hallo, Vendela hier.«
»Hallo, hier Silja«, antwortet Silja. »Glück gehabt. Ich war mir nicht sicher, ob du Ek mit Nachnamen heißt. Dein Vater heißt also Anders? Anders Ek, ist das nicht ein berühmter Tänzer?«
»Nein«, sage ich. »Das ist sein Vater. Der Tänzer heißt Niklas. Anders Ek war Schauspieler. Aber der lebt nicht mehr.«
»Aha. Jedenfalls gab es keine anderen Ek in der Korngatan. Und du hattest ja erzählt, dass du dort wohnst. Hast du heute schon was vor? Wollen wir was zusammen unternehmen?«
»Schwebt dir was Bestimmtes vor?«, frage ich, um Zeit zu schinden. Vorher muss ich noch mit Tonja reden. Ich kann mich doch nicht einfach so mit Silja verabreden. Obwohl, Tonja hat sich ja auch einfach so mit Lukas verabredet. Trotzdem.
»Nö, nichts Bestimmtes«, sagt Silja. »Was macht man hier so an einem Samstag? Vor allem an einem verregneten Samstag? Wie wär’s mit einem Bummel durch die Galeria?«
Wieso soll ich mich eigentlich nicht mit Silja verabreden? Tonja kann ja mitkommen, wenn sie Lust hat. Hat sie aber nicht, das weiß ich. Nicht mit Silja. Aber da kann ich schließlich nichts dafür. Und Tonja und ich haben nichts verabredet. Vielleicht kann ich eine Stunde mit Silja durch die Galeria bummeln, ehe Tonja überhaupt wach und angezogen ist.
»Meinetwegen, gern«, sage ich. »Aber nur bis mittags.«
»Okay. Öffnen die um zehn Uhr? In zwanzig Minuten vor dem Haupteingang?«
»In einer halben Stunde. Ich komm gerade aus der Dusche.«
Spannend, ich habe eine Verabredung mit Silja. Ganz allein. Ich ziehe die helle Jeans an und ein schwarzes, kurzärmeliges Oberteil. Am Ende fische ich meine rote Regenjacke aus dem Garderobenschrank. Im Flur, wo ich gerade meine Schuhe anziehen will, nehme ich in einem plötzlichen Anfall von Mut mein Handy aus der Tasche.
Warum sollte ich nicht jetzt gleich eine SMS an Nils schicken? Warum vorher Tonja um Rat fragen? Warum nicht einfach mal auf eigene Faust etwas
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