Ich will endlich fliegen, so einfach ist das - Roman
verlaufen ist. Du wirst sehen, das wird sich schon aufklären.«
Der Rest der Stunde verläuft in einem merkwürdigen, mehr oder minder gelähmten Zustand. Das Gericht, das wir kochen, schmeckt nach nichts. Aber vielleicht funktionieren auch nur meine Geschmacksknospen nicht. Sonst ist das Essen in Hauswirtschaft immer extrem lecker und es bleiben nur ganz selten Reste übrig. Heute bleibt viel übrig, obwohl Cecilia meint, dass wir alle richtig gut waren.
»Schade, dass sie es nicht war«, sagt Tonja, als wir spülen und aufräumen.
»Warum das denn?«, sage ich. »Was hast du eigentlich gegen Silja? Hat sie dir irgendwas getan?«
Tonja sieht mich kurz an.
»Sie hält sich für so verdammt cool«, sagt sie. »Solche wie sie wollen immer im Mittelpunkt stehen.«
Ich weiß nicht, was ich darauf antworten soll.
Aber in der Nachmittagspause gehe ich zu Line, die auf einer Bank in der hintersten Ecke des Aufenthaltsraums sitzt. Sie ist in ihr Spanischbuch vertieft, und als ich vor ihr stehen bleibe, schaut sie zuerst auf meine Füße, ehe sie den Blick hebt und mir ins Gesicht sieht. Wie gewohnt mustert sie mich abwartend und feindselig.
»Das war mutig von dir«, sage ich.
Line sagt nichts, sie zuckt nur kaum sichtbar mit den Schultern.
»Sie war es wirklich nicht«, sagt sie.
Ich schüttele den Kopf. »Das glaube ich auch nicht. Silja ist in Ordnung.«
Line zieht noch einmal die Schultern hoch und schaut wieder in ihr Buch. Ich bleibe noch ein paar Sekunden vor ihr stehen, aber mir fällt nichts ein, was ich noch sagen könnte. Also gehe ich.
»Was wolltest du von Line?«, fragt Tonja auf dem Weg zur Klasse.
Da ziehe ich ebenfalls die Schultern hoch, genau wie Line.
»Nichts«, sage ich.
Nachmittags treffen Tonja und ich uns mit Lukas und Nils im Miranda. Es ist ziemlich voll, aber nur wenige, die wir kennen, sind da. Die meisten sind älter. Plötzlich haben Lukas und Tonja die Idee, ins Kino zu gehen. Nils hat keine Lust, und ich sage schnell, dass ich Kopfschmerzen habe und lieber nach Hause will. Noch so einen peinlichen Abend wie gestern kann ich nicht verkraften. Ganz davon abgesehen, bin ich abgebrannt.
Zu Hause hocke ich eine Weile mit Mama und Papa vor dem Fernseher, ehe ich mich in mein Zimmer verziehe, in meinen Schlafanzug schlüpfe und mich unter die Decke verkrieche. Und das an einem Freitagabend kurz nach neun. Es ist so viel passiert, worüber ich nachdenken muss, allein und ungestört.
Fünf vor halb zehn klingelt mein Handy. Ich nehme an, das ist Tonja. Der Film dürfte inzwischen vorbei sein, wenn sie überhaupt im Kino waren.
Ich schaue aufs Display, das ist weder Tonja noch Silja. Die Nummer ist mir völlig unbekannt. Ich antworte neugierig, wer sich da wohl verwählt hat.
»Hallo Vendela, Sven hier.«
Meine Finger packen das Handy fester, ich setze mich auf. Jetzt bin ich also an der Reihe! Haben Emelie und Lovisa mal wieder einen Doofen gefunden, der mich anruft und behauptet, er sei Sven, damit ich mich am Montag in der Schule komplett zum Affen mache. Das soll wahrscheinlich eine Warnung sein. Lovisa hat Emelie natürlich erzählt, dass ich sie gesehen habe, und jetzt wollen sie mich einschüchtern. Bestimmt fragt der Typ jetzt gleich, ob ich mit ihm gehen will, oder schlägt ein Date in irgendeiner finsteren Seitengasse vor. Aber von denen lasse ich mich nicht vorführen. Ich habe sie nicht angeschwärzt. Und ich bin auch nicht so dämlich, wie sie denken.
»Aha, Sven, hallo«, sage ich.
»Silja hat mir erzählt, dass du nicht mit zu der Fete kommen willst«, sagt die Stimme.
Lichtblitze in meinem Kopf. Woher wissen Emelie und Lovisa das? Dass sie von der Fete erfahren haben und auch, dass Silja eingeladen ist, liegt durchaus im Bereich des Möglichen. Aber woher wissen sie, dass ich nicht gehen will?
»Stimmt, das … passt nicht so gut«, murmele ich verwirrt.
Und wenn das nun tatsächlich Sven ist?
»Das ist echt schade«, sagt die Stimme, die immer mehr wie Sven klingt. »Besonders nach dem, was heute in der Schule passiert ist. Silja könnte eine nette Abwechslung gebrauchen.«
Es fehlt eigentlich nur der arrogante Unterton, ansonsten stimmt alles. Ich strenge mich an, kontrolliert zu atmen und meine Gedanken in den Griff zu kriegen, die mit Lichtgeschwindigkeit durch meine Hirnwindungen rauschen und in jeder Kurve ins Schlingern geraten. Das ist Sven! Hilfe!
»Sie … du …«, stammele ich. »Sie kann doch trotzdem gehen, also ihr, na ja … ohne
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