Ich will endlich fliegen, so einfach ist das - Roman
kocht.
Vorher gibt es aber noch eine Einleitung und da sitzen wir an unseren gewohnten Plätzen. Cecilia stellt ein neues Projekt vor: Wir wollen Gerichte aus unterschiedlichen Ländern zubereiten und gleichzeitig etwas über die Kultur und Religion der Herkunftsländer lernen. Sie teilt gerade Kopien aus, als es an der Tür klopft und der Direktor mit Maja, der neuen Schulpsychologin, eintritt.
»Silja Nordh«, sagt Maja mit ernstem Gesicht.
Silja sieht sie überrascht an. »Ja?«
»Würdest du bitte mit uns kommen«, sagt Maja.
Silja sieht sich fragend um, steht dann aber auf und folgt den beiden nach draußen auf den Flur. Ich sehe Tonja an, die mit den Schultern zuckt. Unser Rektor ist so gut wie nie außerhalb seines Büros anzutreffen. Ich kann mich nicht erinnern, dass er schon jemals persönlich einen Schüler aus der Klasse geholt hätte. Cecilia guckt mindestens so verdutzt aus der Wäsche wie wir anderen, sammelt sich aber schnell wieder und setzt ihre Einleitung fort.
Tonja, Madeleine, Ellen und ich haben Glück und bekommen Thailand zugeteilt. Wir lieben asiatisches Essen. Wir gucken uns gleich die Rezepte an. Ingwer, Zitronengras, Kokos, Currypaste … Die einzelnen Zutaten hören sich schon total appetitlich an. Während wir eine Auswahl treffen und planen, überlegen wir, warum Silja wohl geholt wurde.
»Wahrscheinlich ist irgendwas bei ihr zu Hause passiert«, sagt Madeleine.
»Ein Todesfall in der Familie?«, sagt Ellen.
»Ihre Eltern sind doch schon tot«, sagt Tonja. »Damit macht sie sich ja ständig wichtig.«
»Der Vater nicht«, korrigiere ich sie. »Nur die Mutter.«
»Sie lebt jedenfalls in einer Pflegefamilie«, sagt Tonja. »Er kümmert sich also nicht um sie. Wahrscheinlich säuft er oder nimmt Drogen.«
»Aber tot ist er nicht«, betone ich.
»Doch, jetzt vielleicht«, sagt Madeleine.
»Ach was, sie hat bestimmt irgendwas angestellt«, meint Tonja. »Vielleicht dealt sie ja selber mit Drogen.«
»Hör schon auf«, protestiere ich, aber ihre Worte scheuchen einen ganzen Schmetterlingsschwarm in meinem Bauch auf.
Bei Silja kann man nie wissen.
Es dauert eine ganze Weile, ehe sich wieder was tut. Wir haben den Reis aufgesetzt, das Hähnchenfleisch in Streifen geschnitten und die Gewürze im Mörser zerstampft, als die Tür plötzlich auffliegt und Silja mit der Schulpsychologin auf den Fersen hereinstürmt.
»Das werden wir später klären«, sagt die Psychologin hinter ihr. »Ich glaube wirklich nicht, dass dies der richtige Zeitpunkt ist …«
»Doch!«, sagt Silja wutschnaubend. »Das ist der verdammt richtige Zeitpunkt!«
Sie sieht sich feindselig in der Klasse um, wo alle mit ihren Beschäftigungen innehalten und sie anstarren. Maja entschuldigt sich atemlos bei Cecilia, ehe Silja wieder das Wort ergreift.
»Welcher Idiot behauptet, ich hätte was aus dem Lehrerzimmer geklaut?« Siljas heisere, dunkle Stimme zittert vor Wut.
Keiner antwortet. Ich stehe nah bei ihr und sehe, dass ihre Hände zittern und ihre Augen rot umrändert sind, als hätte sie geweint. Eine Haarsträhne ist ihr vors Gesicht gefallen und sie schiebt sie energisch beiseite.
»Scheiße, wer war das?«, schreit sie.
»Silja, bitte, beruhig dich«, sagt Maja.
»Beruhigen?«, fährt Silja sie an. »Jemand versucht, mich fertigzumachen, und ich soll mich beruhigen?«
»Dann lass mich wenigstens kurz erklären, was los ist«, sagt Maja.
Sie sieht Cecilia fragend an, die nickt. »Ist wohl das Beste«, sagt sie.
»Folgendes«, beginnt Maja und lässt den Blick durch die Klasse schweifen. »Irgendwann im Laufe des Vormittags wurden im Personalraum der Lehrer Wertsachen und Geld aus Taschen und Jacken entwendet. Das könnte theoretisch auch jemand von außerhalb der Schule gewesen sein, aber kurz nachdem der Diebstahl entdeckt wurde, kam der anonyme Anruf einer Schülerin, sie habe Silja in der großen Pause im Personalraum zwischen den Klamotten rumkramen sehen und dass ein Teil des Geldes in Siljas Schrank liege. Wir haben Silja gebeten, ihren Schrank aufzuschließen, und haben dort tatsächlich eine beträchtliche Geldsumme vorgefunden.«
»Das hat irgendein Arschloch durch die Lüftungsschlitze da reingesteckt!«, faucht Silja außer sich.
Maja sieht sie kurz an.
»Es war nicht beabsichtigt, den Vorfall in dieser Form vor euch auszutragen, aber Silja leugnet energisch, dass sie die Sachen gestohlen hat. Sie meint, dass jemand versucht, ihr die Schuld dafür in die Schuhe zu schieben.
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