Ich will endlich fliegen, so einfach ist das - Roman
zustande. Mattsson funkelt mich an, aber dann nickt er auch.
»Dann komm halt mit«, brummt er.
»Wir auch«, sagt Sven hinter meinem Rücken, aber der Rektor wimmelt ihn ab.
»Nein, das reicht!«, sagt er bestimmt.
Die beiden Männer setzen sich in Bewegung. Mattsson hält Silja am Arm fest, als würde sie sonst türmen. Mein Herz hämmert panisch. Was ist hier los? Das kann doch kein Zufall sein. Bestimmt steckt Emelie dahinter. Emelie oder Lovisa. Das ist so hinterfotzig, dass ich es mir kaum vorstellen kann, aber wie soll es sonst gewesen sein? Emelie hat gesagt, Silja würde es noch bereuen, dass sie geboren wurde. Da hatte sie die Annonce wahrscheinlich schon aufgegeben. Aber wie ist sie an Siljas Handynummer gekommen?
Die ist wahrscheinlich kein großes Geheimnis. Ich nehme an, Sven hat sie, ich habe sie und …
Plötzlich schießt mir durch den Kopf, dass ja gestern nach dem Essen mein Handy verschwunden war und Camilla irgendwann gekommen ist und meinte, sie habe es im Flur gefunden. Kann es sein, dass sie mein Handy geklaut haben, um an Siljas Nummer ranzukommen und die Annonce aufzugeben?
Die Erkenntnis detoniert wie eine Bombe in meinem Kopf. Klar, so ist es gewesen.
Und jetzt hängt alles von mir ab.
Jetzt muss ich sagen, dass ich Lovisa letzten Freitag mit einer Tasche aus dem Lehrerzimmer habe kommen sehen, sonst ist Silja dran. Jetzt habe ich keine Wahl mehr.
Das Büro des Rektors ist in hellen Grüntönen gehalten, der Schreibtisch ist aus Birkenholz und sein Schreibtischstuhl mit schwarzem Leder bezogen. Man hat nicht das Gefühl von Schule, eher von einer oberen Chefetage in einem Unternehmen oder so. Vor seinem Schreibtisch stehen drei weinrote Stühle mit Chrombeinen. Der Rektor setzt sich und fordert uns auf, ihm gegenüber Platz zu nehmen. Aber Mattsson ist zu aufgebracht, um still zu sitzen. Nach wenigen Sekunden springt er auf, als hätte er sich den Hintern verbrannt.
»Da gibt es nur eins«, sagt er. »In solchen Zusammenhängen muss man energisch und mit Nachdruck auftreten! Wie sollen die Schüler lernen, respektvoll mit dem Eigentum anderer umzugehen, wenn wir ihnen nicht ganz deutlich zeigen, dass Diebstahl an dieser Schule nicht toleriert wird?«
»Natürlich, Gunnar«, sagt der Rektor beruhigend. »Aber ich möchte erst einmal hören, was Silja zu der Sache zu sagen hat, ehe wir weitere Schritte unternehmen. Setz dich wieder hin!«
Mattsson setzt sich widerstrebend, Silja sitzt in der Mitte, ich auf dem dritten Stuhl. Ich muss es sagen. Aber was, wenn sie mir nicht glauben? Wenn ich auch als »verlogene Mitschülerin« abgestempelt werde? Line hat die Wahrheit gesagt, mutig, vor allen anderen, obwohl keiner sie gezwungen und sie keinerlei Vorteil davon hatte. Und hier bin ich nun, zitternd, feige und jämmerlich. Nicht, weil ich Angst vor Mattsson oder dem Rektor hätte. Aber mir wird eiskalt bei dem Gedanken, dass Emelie und Lovisa spitzkriegen, dass ich sie angeschwärzt habe.
»Ich war das nicht«, sagt Silja. »Ich schwöre, ich hab nichts damit zu tun! Da will mir jemand eins auswischen, kapieren Sie das nicht?«
»Das hast du letztes Mal auch behauptet«, sagt der Rektor. »Da haben wir beschlossen, dir zu glauben, dank der Zeugenaussage deiner Mitschülerin. Aber diesmal sieht es nicht gut aus für dich, das musst du selber zugeben.«
Silja breitet die Arme aus. »Für wie bescheuert halten Sie mich denn, dass ich eine Anzeige für ein gestohlenes iPhone aufgebe und meine eigene Handynummer darin angebe? Und auch gleich noch die Nummer des iPhones! Das ist unverschämt!«
»Immer mit der Ruhe«, sagt der Rektor. »Und mäßige dich bitte in deiner Ausdrucksweise!«
»Wo ist mein iPhone?«, mischt Mattsson sich ein. »Hast du es mit in die Schule gebracht oder ist es bei dir zu Hause? Ich will es auf der Stelle wiederhaben.«
»Verdammte Scheiße, ich hab das Ding nicht!«, schreit Silja.
Der Rektor schlägt mit der flachen Hand auf die helle Tischplatte.
»Ruhe! Jetzt beruhigen wir uns! Sonst rufe ich die Polizei, damit die sich darum kümmert! Ist das klar?«
Silja legt die Hände auf ihre Knie und lehnt sich zurück.
»Sie glauben mir nicht, weil ich aus einer Pflegefamilie komme«, sagt sie. »Sie glauben, ich bin eine Unruhestifterin und kriminell, weil ich nicht bei meinen Eltern lebe, stimmt’s?«
»Das alles hat absolut nichts mit deiner sozialen Situation zu tun«, sagt der Rektor.
»Drück jetzt bloß nicht auf die Tränendrüse«, sagt
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