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Ich will endlich fliegen, so einfach ist das - Roman

Ich will endlich fliegen, so einfach ist das - Roman

Titel: Ich will endlich fliegen, so einfach ist das - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beltz & Gelberg
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angreifen oder umgekehrt. Die beiden waren von allen am leichtesten zu platzieren gewesen. Da haben wir nicht mal drüber geredet. Und knapp zwei Wochen später ist das alles gar nicht mehr so selbstverständlich. Ein »zufälliges« Treffen zwischen Silja und Sven vor dem Fitnesscenter hat genügt, dass er sich Emelie zur Feindin macht.
    So brüchig ist das vermeintlich Selbstverständliche, so leicht verrückbar das vermeintlich Unverrückbare. Dass Sven mir verspricht, mich gegen Emelie in Schutz zu nehmen, schmeichelt mir zwar, beruhigt mich aber nicht wirklich. Wie hätte er zum Beispiel das »Attentat« gegen Silja verhindern können? Wenn Line nicht wie eine Klette an Silja hängen würde und wenn ich an dem Vormittag nicht zufällig meine Unterlagen in der Klasse vergessen hätte, wäre die Falle hinter Silja zugeklappt. Ich kann wirklich nicht behaupten, dass ich mich sicher fühle. Jetzt stehe ich also tatsächlich unter den wehenden Fahnen neben Silja im offenen Kampf gegen den Drachen. Aber ich bin nicht allein. Auch das ist anders als vorher. Hätte vor zwei Wochen jemand Emelie den Fehdehandschuh vor die Füße geworfen, wäre er hoffnungslos alleine in den Kampf gezogen, egal, wie viele Freunde er oder sie gerade noch hatte.
    Silja bleibt vor dem Lindex-Schaufenster stehen und sieht sich die Schaufensterpuppen mit der neuen Herbstmode an.
    »Der Pullover sähe viel besser zu dem Rock aus«, sagt sie und zeigt von einer Puppe zur anderen. »Und zu der Wolljacke würde viel besser was Glänzendes oder Leder passen. Was für Trottel dekorieren denn hier die Schaufenster?«
    »Du solltest Designerin oder so was werden«, sage ich. »Du hast echt einen Blick dafür, Sachen zu kombinieren.«
    Silja grinst mich abenteuerlustig an.
    »Was kriege ich, wenn ich da reingehe und umdekoriere?«
    »Eine Anzeige vom Ladenchef«, schlägt Leo vor.
    »Und eure Bewunderung und ewigen Respekt?«, fragt Silja.
    »Ja«, sagt Sven. »Unbedingt.«
    Silja nickt zufrieden und schaut wieder in das Schaufenster. Man sieht regelrecht, wie die Ideen in ihrem Kopf Form annehmen.
    »Du spinnst ja.« Ich lache.
    Aber zehn Minuten später steht Silja im Schaufenster.
    Sven, Leo und ich beobachten von einem Hauseingang auf der anderen Straßenseite, wie sie durch eine schmale Tür in der weißen Rückwand hereinkommt. Irgendwo hat sie ein weiß-rotes Lindex-Schild organisiert und sich an den Pullover gesteckt.
    »Silja ist echt total verrückt«, sagt Sven mit deutlicher Bewunderung in der Stimme.
    »Was passiert, wenn sie sie erwischen?«, frage ich nervös.
    »Keine Ahnung«, sagt Leo. »Aber guckt euch das an, der reinste Profi!«
    Silja schraubt den Puppen die Arme ab, einige teilt sie in der Mitte und zieht ihnen routiniert die Kleider aus, als hätte sie nie etwas anderes in ihrem Leben gemacht. Nicht nur die zwei, die sie sich vorher ausgeguckt hatte, alle fünf Puppen werden ausgezogen und stehen einen kurzen Moment wie kreidebleiche, verstümmelte und gesichtslose Gespenster herum, bis Silja sie wieder ankleidet. Als sie fertig ist, geht sie im Schaufenster auf und ab und begutachtet ihr Werk. Mir bricht der Schweiß aus, so nervös bin ich.
    »Jetzt muss sie doch mal langsam fertig sein!«, sage ich ungeduldig.
    »Das sieht aber echt besser aus«, sagt Sven.
    Silja schaut aus dem Fenster und winkt uns zu. Im nächsten Moment verschwindet sie durch die Tür in der Rückwand und ich atme erleichtert auf. Verfrüht, wie sich zeigt, weil sie gleich darauf mit einem Arm voller Sachen wieder zurück ist. Und damit gibt sie ihrem Werk den letzten Schliff mit Mützen, Ketten und Taschen. Die Kombinationen sind ungewöhnlich und frech, nicht alle Teile sitzen an dem Körperteil, für den sie gedacht sind. Aber das Schaufenster ist definitiv ein interessanterer Blickfang als vorher.
    Wir lachen und jubeln, als Silja wieder zu uns stößt. Sven legt einen Arm um ihre Schulter und wir gehen zurück zur Schule. Ich laufe hinter ihnen und weiß genau, wie sich der Arm anfühlt, wie er Wärme und Kribbeln durch den Körper schickt. Jetzt vergisst Silja hoffentlich ein für alle Mal unseren Referendar! Es gibt keine anderen Jungs mehr auf der Welt, wenn Sven seinen Arm um einen legt. Nach nicht mal einer halben Minute nimmt er seinen Arm weg, und sie benehmen sich, als wäre nichts Besonderes gewesen. Silja erzählt und lacht und ist wie immer. Als Sven gestern in der Schule seinen Arm um meine Schultern gelegt hat, hab ich auch Minuten

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