Ich Will Ihren Mann
funkelnden Augen waren trocken, nur ihre Unterlippe zitterte verräterisch. »Laurie ...« begann Lilian. Doch das Mädchen fiel ihr brüsk ins Wort: »Würdest du mich gefälligst allein lassen?«
Lilian zögerte. »Ich wollte dir bloß sagen, daß er in Wirklichkeit gar nicht auf dich böse ist.« »Sah aber ganz so aus«, schmollte Laurie. »Weißt du«, erklärte Lilian sanft, »Erwachsene sind manchmal komisch. Sie sagen nicht immer, was sie denken, und sie schreien nicht immer den an, über den sie sich in Wirklichkeit ärgern. Sie wissen manchmal selbst nicht, warum sie wütend sind, und dann lassen sie ihren Frust am Nächstbesten aus, an dem, der ihnen grade in die Quere kommt. Und das warst heute abend zufällig du.« Laurie blickte weiter starr geradeaus. »Eigentlich ist dein Vater auf mich böse. Im Moment geschieht etwas, das uns alle ziemlich aus der Bahn wirft...« Sie versuchte, im Gesicht des Mädchens zu lesen, doch sie konnte nicht die mindeste Reaktion entdecken. »Du sollst nur wissen, daß es ganz ehrlich nicht das geringste mit dir zu tun hat.« Lilian wartete einige Augenblicke, dann ging sie zur Tür. »Ich dank' dir«, flüsterte ihr die Stimme kaum hörbar vom Bett aus nach. Überrascht drehte sich Lilian um, doch als sie sah, daß Laurie immer noch geistesabwesend in den Spiegel starrte, war sie nicht sicher, ob das Mädchen wirklich etwas gesagt hatte. Wortlos ging sie zurück ins Eßzimmer.
Jason und sein Vater saßen in eisigem Schweigen am Tisch. Jason war entweder tatsächlich hungrig gewesen, oder Davids Ausbruch hatte ihn eingeschüchtert, jedenfalls hatteer alles aufgegessen. Zum erstenmal, seit sie ihn kannte, schien der Junge wirklich froh, sie zu sehen. »Na, wie war der erste Schultag?« fragte Lilian und ignorierte ihren Mann geflissentlich.
Jasons Gesicht trug plötzlich den gleichen mißmutigen Ausdruck wie das seines Vaters. »Langweilig«, sagte er. »E-echt langweilig.«
»Du meinst wohl ›ziemlich‹?« fuhr David dazwischen. »Ziemlich langweilig. Oder solltest du an einen kräftigeren Ausdruck gedacht haben, wie zum Beispiel ›höchst langweilig. ‹ Na, wie langweilig war es also? Ich darf dich bitten, dich in Zukunft etwas präziser auszudrücken, mir geht dieser kalifornische Slang nämlich echt auf die Nerven. Ich find' ihn echt langweilig.«
Jason starrte seinen Vater an, als hätte der Ärmste den Verstand verloren. »Ist dir nicht gut?« fragte er. »Ich fühl' mich ausgezeichnet«, antwortete David. »Wie schön«, mischte sich Lilian ein. »Dann können wir ja jetzt das Thema wechseln. Wer ist denn euer Klassenlehrer?« fragte sie Jason lächelnd.
»Mr. F-Fraser«, antwortete der Junge. »D-d-der is' okay.« »Dein Wortschatz ist wirklich umwerfend«, bemerkte David sarkastisch.
Jason senkte den Kopf, und Lilian merkte, daß der Junge den Tränen nahe war. Angewidert legte sie ihr Besteck auf den Teller und fuhr David an: »Meinst du nicht, daß es für heute abend reicht? Seit wann bist du unter die Sprachlehrer gegangen? Wenn du mir immer noch böse bist, dann sag's. Meinetwegen schrei mich an. Aber deine Kinder sind nicht hergekommen, um für dich 'nen billigen Sündenbock zu spielen. Mit deinem Getue hast du's geschafft, ein erstklassiges Essen zu ruinieren. Jetzt hockt ein Kind unglücklich im Schlafzimmer und das andere hier am Tisch. Bist du nun zufrieden, nachdem du deine schlechte Laune an uns allen ausgelassen hast?« »Ich bin kein Kind«, stieß Jason ohne zu stottern hervor.
»Ach, halt die Klappe«, herrschte David ihn an. »Bist du denn zu dumm zu kapieren, daß sie dich verteidigt?« »Ich kann mich selber verteidigen. Die da brauch' ich schon gar nicht dazu!« schrie Jason. Er stieß seinen Stuhl zurück und starrte Lilian wütend an. »Wer hat dich überhaupt nach deiner Meinung gefragt?« fuhr er aufgebracht fort. »Warum mußt du dich dauernd in unsre Angelegenheiten mischen?« Er stürzte aus dem Zimmer. Lilian stellte sich vor, wie die beiden Plumley-Kinder jetzt drinnen im Schlafzimmer nebeneinander auf der Bettkante hockten. Sie war sich nicht sicher, was sie am meisten überrascht hatte: Jasons wilder Ausbruch oder die Mühelosigkeit, mit der er plötzlich die Sätze herausgesprudelt hatte. »Tja«, sagte Lilian und begann, den Tisch abzuräumen. »Klassischer Fall von Übertragung, was? Du bist auf mich böse, willst mich aber vor den Kindern nicht anschreien, also überträgst du deinen Ärger auf sie und brüllst die
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