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Ich Will Ihren Mann

Ich Will Ihren Mann

Titel: Ich Will Ihren Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
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vereinsamt kam sie sich vor, blockiert und fast ohne Halt.                                                            

 
    18
     
     
    Sie fühlte sich schier überwältigt von dem Eindruck, genau dieselbe Szene schon einmal durchlebt zu haben: der lange Tisch, die unbequemen Stühle, die in Rauch gehüllten Köpfe, all das meinte Lilian schon gesehen zu haben. Ja es kam ihr sogar vor, als habe sie die monotonen, mit müder Stimme vorgetragenen Reden Wort für Wort im Jahr zuvor gehört. (Ich begrüße Sie zum Beginn eines neuen akademischen Jahres. Das Wintersemester ist insofern das wichtigste, als es die Maßstäbe für das ganze kommende Jahr setzt. Besonders herzlich willkommen heißen möchten wir ... usw. usw.) Lilian ließ den Blick über den alten, verkratzten Tisch schweifen und betrachtete die Menschen um sich herum, die sich nicht sonderlich von den Fernsehleuten unterschieden, mit denen sie sich früher an ganz ähnlichen Tischen zu den wöchentlichen Programmkonferenzen getroffen hatte. Es verbanden sie gemeinsame Interessen; viele der Dozenten kamen genau wie sie aus der Praxis, hatten früher beim Radio oder beim Fernsehen gearbeitet. Und doch waren sie anders als ihre Kollegen von damals. Irgend etwas fehlt, dachte sie, während sie forschend in die Gesichter am Tisch blickte und in jedem den gleichen müden, gelangweilten Ausdruck entdeckte, den sicher auch das ihre widerspiegelte. Das Engagement fehlt, stellte sie fest, der persönliche Einsatz für ein gemeinsames Ziel. Hier versuchen wir bloß, den Tag irgendwie hinter uns zu bringen. Gewiß üben viele hier im Raum ihren Beruf mit echter Hingabe aus, aber sie tun es nicht mit dem engagierten Einsatz, den man seiner Arbeit in der Praxis widmet. Und genau das war es, was sie so schmerzlich vermißte: dieses Engagement, diesen ständigen Kampf um die Verwirklichung der eigenen Vorstellungen, das Ringen darum, ein Projekt durchzuziehen und auf den Bildschirm zu bringen. Lilian sah zu Boden. Sie wußte, daß sie große Schwierigkeiten haben würde, wenn sie schon jetzt, am ersten Tag dieses für das ganze akademische Jahr ausschlaggebenden Semesters, so dachte. Es war kein gutes Vorzeichen. Der Anruf platzte mitten in Jack McCrearys langatmige Ausführungen zu den neuerlichen Etatkürzungen. Lilian hatte wirklich geglaubt, sie hörte der vertrauten, monotonen Stimme aufmerksam zu, und erst, als sie plötzlich die Hand auf ihrer Schulter spürte, merkte sie, daß sie in Gedanken weit fortgewesen war. Schuldbewußt fuhr sie zusammen. Eben noch hatte sie die Kollegen im Studio während einer hitzigen Programmdiskussion mit dem Scharfsinn und der Kühnheit ihres ausgefallenen Vorschlags überrannt, und jetzt fand sie sich in der bedrückenden Enge des überfüllten Seminarraums wieder, wo die Wirklichkeit Hof hielt.
    »Telefon für Sie«, flüsterte eine Institutssekretärin ihr ins Ohr und versuchte diskret, kein Aufsehen zu erregen. »Er sagte, es sei dringend.«
    Fragend starrte Lilian sie an, doch die Frau bedeutete ihr mit einem ratlosen Schulterzucken, daß sie auch nicht mehr wüßte. Lilian blieb nichts übrig, als aufzustehen und der zierlichen Person ins Sekretariat zu folgen. Sie war höchstens einsfünfzig groß, und Lilian kam sich vor wie ein Riese, als sie hinter ihr herging. Warum schicken sie eigentlich immer so 'ne Kleine, wenn sie nach mir rufen? wunderte sie sich.
    »Leitung drei«, erklärte die Sekretärin und nahm hinter ihrem Schreibtisch Platz.
    Lilian nahm den Hörer ans Ohr und drückte auf den Knopf für den Nebenanschluß. »Ja bitte?« »Jetzt sitzen wir ganz schön in der Scheiße«, sagte Davids Stimme anstelle einer Begrüßung. »Wovon sprichst du?« fragte Lilian erschrocken. »Beth hat grade gestanden.« »Was?«
    »Du hörst doch, Beth Weatherby hat gestanden ... sie behauptet, sie sei's gewesen ... sie hätte Al umgebracht.«
    »Das glaub' ich nicht«, murmelte Lilian, tastete nach dem Stuhl hinter sich und hockte sich auf die Kante. Das Klappern der Schreibmaschinen war verstummt, die summende Geschäftigkeit des Büros ruhte, und keine der Sekretärinnen machte auch nur den geringsten Versuch, ihre Neugier zu verbergen. »Das ist doch verrückt!« flüsterte sie und hörte gleichzeitig Beths Stimme dicht an ihrem Ohr. »Ich hab's getan, Lilli. Ich hab' meinen Mann umgebracht.« »Wart's ab, es wird noch verrückter«, fuhr David fort. »Was hat sie denn

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