Ich Will Ihren Mann
umzubringen? Ist denn die ganze Welt verrückt geworden? Lilian blickte auf und suchte in den vertrauten Gesichtern ringsum nach den Spuren einer Veränderung. Oder hat's bloß mich erwischt, fragte sie sich, als sie den Aufenthaltsraum verließ und zu ihrem Hörsaal ging.
»Hast du schon gehört, was mit Sarah Welles passiert ist?« fragte ihre Mutter, als sie die Tür öffnete und Lilian hereinließ.
»Nein, was ist mit ihr?« erkundigte sich Lilian. Sie sah den jungen Leinwandstar vor sich, Sarah Welles, Hollywoods neuester Versuch, einen Star mit der magischen Anziehungskraft einer Marilyn Monroe aufzubauen. »Sie ist tot! Hörst du denn kein Radio? Die haben doch den ganzen Tag Sondermeldungen gebracht.« »Bin nicht dazu gekommen. Was ist denn passiert? War's Mord oder Selbstmord?«
»Weder noch, 'n ganz idiotischer Unfall. Sie hat sich im Waschbecken die Haare gewaschen, und als sie den Kopf hob, ist sie anscheinend gegen den Hahn gestoßen. Das Ding war aus massivem Gold, und durch den Aufprall hat sie das Bewußtsein verloren.« »Und sie war gleich tot?«
»Nein, daran ist sie nicht gestorben. Sie ist ertrunken! Kannst du dir das vorstellen? In ihrem eigenen Waschbecken! Sie fiel vornüber mit dem Gesicht ins volle Becken und ist darin ertrunken! Sie war erst sechsundzwanzig! Also ich versteh' das nicht! Wenn eine schon Wasserhähne aus massivem Gold hat, dann sollte sie sich's doch leisten können, zum Friseur zu gehen.«
»Das ist ja furchtbar«, sagte Lilian, als sie ihrer Mutter in die Küche folgte. Sie versuchte, ihre Gedanken zu ordnen. »Was mich am meisten an der Sache erschreckt«, begann sie, »sind die Folgerungen, die wir daraus ziehen müssen. Dieses Unglück beweist doch, daß wir nicht selbst über unser Leben bestimmen können. Da ist diese junge Frau, der anscheinend die ganze Welt zu Füßen liegt, und was passiert? Sie wäscht sich die Haare, und 'ne Minute später ist sie tot. Fast wie Janet Leigh in der Szene mit der Dusche in ›Psycho‹.«
Ihre Mutter blickte sie forschend an. »Außer daß Janet Leigh nie in dieser billigen Absteige gelandet wäre, wenn sie nicht zu Anfang das Geld gestohlen hätte. Also haben wir unser Leben bis zu einem gewissen Grad doch in der Hand, mein Schatz. Es gibt Unfälle, gewiß. Tragische Unglücksfälle. Doch das gehört zum Leben. So, jetzt aber Schluß mit Mutters Vorlesung. Hast du Hunger?« Lilian lächelte. »Und wie.«
»Freut mich. Ich hab' uns 'nen leckeren Eintopf gemacht. Komm, nimm dir 'nen Stuhl.«
Lilian setzte sich an den runden Tisch in der gemütlichen, großen Küche, in der sie als Kind so gern gesessen hatte. »Hast du eigentlich nie dran gedacht, diese Tapete zu wechseln?« fragte sie, als ihr Blick auf die Uhren und Feldblumen fiel, die in Grün- und Brauntönen über die Wände verstreut waren. So lange sie denken konnte, hatten ihre Eltern diese Küchentapete gehabt. Erstaunlich, daß sie immer noch so gut erhalten war.
»Die ist doch neu«, sagte ihre Mutter und stellte einen dampfenden Teller vor sie hin. »Wir haben erst letztes Jahr tapeziert.«
»Und du hast dasselbe Muster genommen?« fragte Lilian ungläubig.
»Ja, stell dir vor, sie hatten's immer noch auf Lager! Ist wahrscheinlich so 'ne Art Klassiker.« Mrs. Listerwoll lachte und setzte sich Lilian gegenüber. »Nimm dir 'ne ScheibeBrot.« Sie deutete auf das Körbchen in der Mitte des Tisches.
»Wieso habt ihr wieder dasselbe Muster gekauft?« fragte Lilian verwundert.
»Weil's deinem Vater gefällt«, antwortete ihre Mutter schlicht.
»Und das ist der einzige Grund?« »Mir genügt er«, sagte Mrs. Listerwoll. Lilian seufzte, legte die Gabel beiseite und schaute ihrer Mutter forschend ins Gesicht. »Wie lange seid ihr verheiratet?« fragte sie.
»Im Januar werden's achtunddreißig Jahre«, erwiderte Mrs. Listerwoll.
»Achtunddreißig Jahre«, wiederholte Lilian. »Das ist 'ne lange Zeit.«
»Na ja, wie man's nimmt. Die Jahre vergehen ja so schnell.«
»Bist du glücklich?« wollte Lilian wissen. Die Frage war zu allgemein gestellt, das war ihr klar, doch sie wußte nicht, wie sie sie hätte anders formulieren sollen. Ihre Mutter zuckte mit den Achseln. »Na ja, es heißt, die ersten fünfundzwanzig Jahre seien die schwersten.« Die beiden Frauen lächelten sich an. »Was soll ich dir antworten? Du kennst doch den Spruch: Ein Paar behauptet, sie führten die ideale Ehe, aber kein Mensch mit klarem Verstand möchte mit ihnen tauschen.
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