Ich Will Ihren Mann
im Auto sitzen.
Wieso war nur alles schiefgelaufen? Sie war weder dumm noch hilflos. Sie war kein alberner, kleiner Hohlkopf, dessen ganzes Glück darin bestand, sich einen Mann zu angeln. Oder jedenfalls war sie das früher nicht gewesen. Sie war als aufgewecktes, selbstsicheres Mädchen ins Leben getreten, das sich zu einer intelligenten, selbstbewußten jungen Frau entwickelt hatte. Sie war unabhängig gewesen, begabt und voller Pläne. Zu dem Zeitpunkt, als sie heiratete, hatte sie sich als reife Frau betrachtet, die alle Fallstricke des Lebens kannte und ganz gewiß nicht die gleichen Fehler machen würde wie die anderen. Doch nun war sie mit ihrer Eifersucht in die erstbeste Falle getappt. Warum geraten wir Frauen nur so oft in eine solche Lage? Oder in eine noch schlimmere, dachte sie, als ihr Blick auf Beth Weatherbys Haus fiel und sie über das nachsann, was Beth im Lauf der Jahre durchgemacht hatte. Warum sind wir nur so willige Opfer? Ob Beth am Ende recht hatte? Liegt die Wurzel allen Übels tatsächlich in der physischen Überlegenheit des Mannes? Sind unsere Rollen denn wirklich von Kindheit an festgelegt? »Mist, verdammter«, sagte sie laut und versuchte, die grüblerischen Gedanken abzuschütteln. Und wenn sie bis zum Morgengrauen hier sitzenbliebe und sich den Kopf mit Überlegungen, Analysen und Theorien zermarterte, es würde doch immer wieder auf das eine hinauslaufen: sie wollte David. Sie würde alles tun, um ihn zu halten. Sie war bereit, sich zu ändern, ja sogar aufzugeben, nur um ihn nicht zu verlieren. Ich kann versuchen, Nicole zu übertrumpfen, und wenn das unmöglich sein sollte, dann kann ich immer noch abwarten, bis er sie satt hat. Und genauso die, die vielleicht nach ihr kommen. Wenn David sich zu Hause unglücklich fühlt, dann ist das zum Teil auch meine Schuld. Ich werd' mich ändern.
Lilian stieg aus und schlug die Tür hinter sich zu. Sie hoffte, die Nachtluft würde ihren Kopf kühlen und die ungebetenen Phantasiegestalten verscheuchen, die sie so beharrlich verfolgten und allem Anschein nach die Absicht hatten, sie um den Verstand zu bringen. Sarah Welles war beim Haarewaschen ertrunken. Nichts ergab mehr einen Sinn. Die ganze Welt schien irgendwie absurd. Warum sollte da ausgerechnet mein Leben eine Ausnahme sein?
Beth war sofort mit der Fernsehsendung einverstanden gewesen. (»Nimm den Auftrag an, Lilli«, hatte sie gesagt. »Es ist wichtig. Gib das, was ich dir erzählt habe, an die Zuschauer weiter. Mach diese Reportage. Vielleicht wird sie ein paar Leute aufrütteln.«)
Durch Beths bereitwillige Zustimmung verschärfte sich das Problem nur noch. Auf dem Weg vom Wagen zur Haustür hatte Lilian sich dazu durchgerungen, Irving abzusagen, falls Beth ebenso ablehnend reagieren würde wie David. Sie redete sich ein, daß David vermutlich recht hatte; Irving würde sie wieder anrufen, wenn nicht in diesem, dann eben im nächsten Jahr. (»Nimm den Auftrag an, Lilli«, hatte Beth gesagt, ohne irgendwelche Fragen zu stellen. »Es ist wichtig. Mach diese Reportage.«) Lilian parkte ihren Volvo neben dem freien Platz, der für Davids Mercedes reserviert war. Sie sprang aus dem Wagen und eilte zum Aufzug. Die Schlüssel hatte sie sich so zwischen die Finger geschoben, daß sie von weitem wie ein Schlagring wirkten. Damit könnte ich mir schon 'nen Ganoven vom Leib halten. Sie hatte eigentlich nicht den Verdacht, daß jemand ihr auflauern würde, aber schließlich war Sarah Welles auch nicht darauf gefaßt gewesen, in ihrem Waschbecken zu ertrinken.
Ohne Zwischenfall erreichte sie ihre Wohnung. Obwohl sie wußte, daß David nicht zu Hause war, enttäuschte es sie, die Wohnung leer zu finden. Sie ging rasch von einem Zimmer ins andere und knipste überall das Licht an. Dann warf sie sich im Schlafzimmer aufs Bett. Sie zog das Telefon zu sich heran und wählte Davids Privatnummer im Büro. Es war halb elf vorbei. Was werd' ichihm erzählen? Komm nach Hause ... ich hab' mich entschlossen, dem Sender abzusagen. Alles, was du willst, nur bitte, mach Schluß mit Nicole und komm wieder zu mir zurück.
Niemand nahm ab. Lilian ließ es zehnmal läuten, legte auf und wählte noch einmal Davids Nummer. Nach weiteren zehn Klingelzeichen gab sie auf. Vielleicht ist er schon auf dem Heimweg, dachte sie, schleuderte ihre Schuhe von sich und legte sich aufs Bett zurück. Vielleicht existierte die ganze Geschichte auch bloß in ihrer Einbildung, und sie hatte sie nur erfunden, um wieder ein
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