Ich will ja nur dich!
saß neben ihm, doch er beachtete sie nicht. Er wusste, dass sie da war, denn er hatte sie kurz angesehen, als sie gekommen war, doch er sagte kein Wort, berührte sie nicht, hielt sie nicht, umarmte sie nicht, suchte keinen Trost bei ihr.
Und obwohl sie wegen Tess hier waren und Liza ganz krank war vor Sorge um den Teenager, fühlte sie sich in der Gegenwart all dieser Menschen, die sich so nahestanden, sehr allein.
Sie lehnte sich zurück und hielt den Blick auf die Uhr an der Wand gerichtet statt auf Dare. Sie hatte versucht, mit ihm zu reden, hatte ihm sogar eine Hand auf die Schulter gelegt, als Zeichen ihres Mitgefühls, aber es war, als wäre er gar nicht da.
Endlich betrat Alexa, in einen grünen Arztkittel gehüllt, den Warteraum, und sie sprangen alle auf einmal auf, umringten sie und bestürmten sie mit Fragen.
Alexa hob die Hand, und Liza hielt gespannt den Atem an. »Also, Folgendes kann ich mit Sicherheit sagen: Tess wird wieder auf die Beine kommen. Das ist das Allerwichtigste«, sagte die Ärztin.
Liza atmete erleichtert auf.
»Sie wird wieder auf die Beine kommen ?«, wiederholte Ethan.
Faith legte ihm eine Hand auf die Schulter.
Alexa nickte. »Es geht ihr gut, sie ist bloß noch sehr schwach. Die Laborbefunde und die Urinuntersuchung haben ergeben, dass sie nicht betrunken war; das war vermutlich ihre Rettung. Wir gehen davon aus, dass ihr jemand Rohypnol verabreicht hat …«
»Die Vergewaltigungsdroge?«, stieß Dare fassungslos hervor. Seine braunen Augen waren weit aufgerissen und so dunkel, dass sie fast schwarz wirkten.
Liza ergriff unauffällig seine Hand, und zu ihrer Erleichterung wehrte er sich nicht dagegen, sondern umklammerte ihre Finger sogleich mit eisernem Griff.
Alexa bedachte ihn mit einem mitfühlenden Blick. »Bitte bewahrt Ruhe und lasst mich ausreden. Ja, aus ihren Symptomen schließen wir, dass man Tess K.-o.-Tropfen eingeflößt hat. Die genauen Untersuchungsergebnisse stehen noch aus, aber sie wurde zumindest nicht vergewaltigt.«
»Gott sei Dank«, keuchte Kelly erleichtert, und Nash legte ihr einen Arm um die Taille, ehe womöglich ihre Beine den Dienst versagten.
Dare umklammerte Lizas Hand so fest, dass sie kaum noch Gefühl in den Fingern hatte, doch das war ihr egal. Er nahm ihren Beistand an, und das war alles, was zählte.
Alexa sprach mit der professionellen Distanz, die von einer Ärztin erwartet wurde, aber ihr Blick war sanft. »Wäre Tess richtig betrunken gewesen, als ihr die Droge ins Getränk geschmuggelt wurde, dann wäre die Wirkung weit stärker gewesen. Rohypnol ist ein Benzodiazepin und steigert wie Valium die natürlichen Hemm-Mechanismen im Zentralnervensystem, allerdings zehnmal so stark. Bei Überdosierung oder in Kombination mit Alkohol kann es auch die Atmung beeinträchtigen. Tess hatte ein klein wenig Alkohol im Blut, deshalb hat sich ihre Atmung verflacht. Wahrscheinlich hat sie deshalb auch das Bewusstsein verloren.«
»Woher weißt du … Ich meine, bist du sicher, dass sie nicht vergewaltigt wurde?«, fragte Faith mit zitternder Stimme.
»Wir haben sie untersucht, ehe sie das Bewusstsein wiedererlangt hat und ein paar Tests durchgeführt«, erklärte die Ärztin. »Es gibt keinen Hinweis darauf, dass sie Verkehr hatte. Außerdem hat die Polizei die paar Kinder, die noch da waren, befragt, und sie haben angegeben, dass Tess’ Freundin ihr nicht von der Seite gewichen ist.«
»Braves Mädchen, Michelle«, flüsterte Kelly.
»Ist sie wach?«, erkundigte sich Dare, der es sichtlich kaum erwarten konnte, Tess zu sehen.
Alexa schüttelte den Kopf. »Teils. Sie driftet immer wieder ab. Die Magenspülung ist ihr zum Glück erspart geblieben, denn die Sanitäter haben ihr auf dem Weg hierher klugerweise gleich eine Infusion verpasst, damit ihr Körper schon mal durchgespült wird. Trotzdem wird sie sich ziemlich mies fühlen, wenn sie zu sich kommt. Sie wird unter anderem Kopfschmerzen und einen Kater haben. Gut möglich, dass sie sich an etwas erinnern kann, vielleicht aber auch nicht. Jedenfalls ist sie am Leben, und nur das zählt.« Alexa lächelte in die Runde. »Ich werde es euch wissen lassen, wenn ihr zu ihr dürft, okay?«
»Danke«, sagte Dare und sah Alexa in die Augen.
»Normalerweise würde ich jetzt sagen, das gehört zu meinem Job, aber in diesem Fall ist es definitiv mehr. Ich werde dafür sorgen, dass ihr bald zu ihr dürft«, versprach sie, dann verschwand sie wieder.
Nash zog Kelly an sich und umarmte sie.
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