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Ich will keine Blaubeertorte, ich will nur raus

Ich will keine Blaubeertorte, ich will nur raus

Titel: Ich will keine Blaubeertorte, ich will nur raus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Heim
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Landarbeit machen willst, ist sehr richtig, wirst dabei sicher die sehr notwendige Erholung finden. Sorgen hast Du doch hoffentlich nicht, und dass Hiro um Dich ist, ist ja Dein Wunsch und macht Dich relativ glücklich? Gott gebe nur, dass es für die Dauer und er zuverlässig ist, und doch tut mir Fredi leid.
    Dr.

Sommer kam zurück und sagte nur, dass er Dir von unterwegs geschrieben hat. Was mit mir wird, weiß ich nicht, ich kann nicht gegen den Strom schwimmen und muss nun alles mitmachen, was mir auferlegt sein sollte, Hauptsache, sage ich mir immer wieder, man bleibt gesund dabei und wir finden uns mal wieder. Ich bin mit meinen zerrissenen Nerven außerstande zu kämpfen und bin letzten Endes resigniert wie alle. Aber stark zu bleiben, so sehr ich kann, habe ich mir vorgenommen in dem festen Willen des Wiedersehens mit Dir, mein Geliebtes, dem einzigen Besitz, der mir geblieben ist, möge ihn Gott mir erhalten zu unser beider Freude. Schreibe mir bloß bitte oft, damit ich nicht wieder unnütze Sorgen und Angst haben muss, denn dafür wird ohnehin täglich genug gesorgt.
    Bleibe mir gesund, mein geliebtes Kind. Ich schreibe Dir sofort, nachdem ich Dr.

Sommer gesprochen habe, er nimmt sehr an meinen Sorgen teil.

    Mit innigster Umarmung und festen unzähligen Küssen,
Deine Mutti
    Im dritten Kriegsjahr erhält Ilse vom Verband der Schweizerischen Studentenschaften eine Einberufung zum Landwirtschaftlichen Hilfsdienst. Am Sonntag, den 22.

März meldet sie sich bei der Familie von Alois Schmucki, Bauer und Wirt zum Neubad im Dorf Ernetschwil. Die Schmuckis haben zehn Kinder. Die Bäuerin ist dankbar um jede Entlastung. Auch Ilse wird froh sein, in ländlicher Umgebung Abstand zu den sie jagenden Gefühlen zu finden. Die wenigen Ereignisse jener Wochen hat sie im Notizbüchlein aufgeschrieben: »Schulexamen in der Dorfschule, Palmsonntag in der Kirche, Ausflug mit den Kindern zum Kloster Berg Sion, Ausflug mit dem Lehrer nach Wallenstadt, Hochzeit bei Schmuckis.«

    Ilse im Landdienst, 1942
    Ich will mehr erfahren und schreibe an Gritli Grünenfelder, eine Schmucki-Tochter, und erhalte Antwort:

    Vom Kloster weiß ich noch, dass wir als größere Kinder dort in die Frühmesse um halb sieben Uhr gingen – über Flur und Tobel. Heute könnte man das nicht mehr machen. Damals hatte nur der Käser ein Auto. Unsere Familie war groß, was ein guter Zusammenhalt war. Wir hatten nicht viel Geld, aber ein schönes Zuhause. Unser Lehrer im Jahr 1942 war Herr Eigenmann. Er war ein sehr guter und fleißiger Mann. Bei uns gab es viel zu tun, und Ihre Mutter, das Fräulein Ilse Winter, arbeitete mit Mami in Haus und Garten. Meine ältere Schwester, die in Amerika lebt, hat mir gesagt, dass Fräulein Winter eine ganz fröhliche junge Frau gewesen sei. Leider gibt es bei uns keine Fotos. Fotos hatten wir nur vom Fotografen Eisslin in Uznach, wenn er mit seinem riesigen Apparat vorbeikam.

    Ich hoffe, Ihnen ein wenig gedient zu haben,
und grüße Sie freundlich.
Gritli Grünenfelder
    Natürlich bekommt Ilse die Post aus Basel nachgesandt. Was sie sicherlich nur zu gern im Briefkasten hätte liegen lassen, bringt ihr der »Pöstler« über Feld und Wald bis ins abgelegene Dorf.

    Berlin, den 23.

März 1942
    Mein Armes, Geliebtes,

    was für ein schrecklicher Brief! Mein Schmerz über Dein Herzeleid, Aufregung und Kummer und alles andere, was damit verknüpft, ist nicht in Worte zu kleiden. Aber Du wirst es nicht glauben, ich muss einen »sechsten Sinn« haben, denn ich habe das lange in meinen entsetzlichsten Gedankengängen, als ich so lange ohne Nachricht von Dir war, geahnt und heute nur alles, wie so oft, schwarz auf weiß bestätigt erhalten. Die Gewissheit ist natürlich für mich insofern grauenhaft, als ich ermessen kann, wie unglücklich Du immer wieder durch Gefühlsenttäuschungen wirst und damit auch ich verzweifelt bin. Nein, Du bist wirklich dem meisten, was Dir in den Weg tritt, nicht gewachsen! Warst es schon früher nicht, aber man sollte meinen, »durch Erfahrung wird man klug«.
    Du glaubst jedem Menschen sofort alles, bildest Dir ein, was gar nicht vorhanden, anstatt kühl und besonnen erst scharf zu prüfen und hundertprozentig skeptisch zu sein. Ich spreche jetzt nur von den Enttäuschungen bezüglich Mannsbildern.
    Du armes Kind, wie ist es nur möglich, dass Du Dich in Hiro so irren konntest! Du hast ihn in Deiner eingeredeten Verliebtheit durch eine ganz falsche Brille gesehen und warfst

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