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Ich will keine Blaubeertorte, ich will nur raus

Ich will keine Blaubeertorte, ich will nur raus

Titel: Ich will keine Blaubeertorte, ich will nur raus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Heim
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so, bevor man die dicken Verdunklungsportieren zuziehen muss, grässlich, wann wird das aufhören?
    Im Herbst 1924 beginnt Ilses Gymnasialzeit in der Cecilienschule am nahen Nikolsburger Platz. In ihrer Klasse sind neunzehn Jüdinnen, darunter ihre beste Freundin Hildegard Philipsborn, die Millionärstochter Lilly Jacob aus Nummer 14, die Russinnen Xenia und Olga, Elsie Alexander, Arlette Benjamin, Sophie Engel, die Klassenerste. Daran erinnert sich Ilse ihr Leben lang und fügt wie das »Amen« hinzu: »[…] und von keiner habe ich je wieder etwas gehört – so war das damals in Berlin-W – in Wilmersdorf«.
    Nach Felix’ Tod wird es still in der Landhausstraße 8. Marie kann sich das viele Personal nicht mehr leisten, nur das Hausmeisterpaar bleibt. Der Wagen muss verkauft werden, das Möbellager wird aufgelöst. Marie ist nun eine junge Witwe von sechsundvierzig Jahren, sie muss ihr Leben in die Hand nehmen und die heftig pubertierende Ilse zähmen. Schnell ist ihr »klar wie Kloßbrühe«, dass sie, will sie ihr Haus erhalten, von nun an durch die Vermietung von Zimmern und Wohnungen Einnahmen erzielen muss. Das Geschäft von Felix Winter, die Fabrikation und der Handel mit Möbeln, ist nicht mehr zu retten. Vater Chaskel wendet den Konkurs ab, und Marie beginnt mit den Ratschlägen ihres Bruders Willi, aus der Privatvilla ein Renditeobjekt zu machen. In der Bauakte sehe ich: Das nun leer geräumte Möbellager wird zur Vermietung hergerichtet. Dazu lässt Marie die Wände mit Spanplatten verkleiden, einen Linoleumboden legen und Zwischenwände für Umkleideräume einbauen.
    Ihre erste Mieterin ist die Tanzpädagogin Hanna Schütz-Littmann, die zusammen mit der Diplom-Lehrerin Else Besthorn eine Privatschule für künstlerischen Tanz und rhythmische Gymnastik in der Landhausstraße 8 eröffnet. In ihrem Prospekt»Wege zu Kraft und Schönheit – zur Ertüchtigung und Gesundung des deutschen Volkes« bieten sie neben modernen Tänzen des allerletzten Stils auch Säuglings- und Atemgymnastik, Kallisthenie und die Einstudierung von Fantasietänzen zu Festlichkeiten an. Die Damen unterrichten nach der Methode von Rudolf Laban. Gut möglich, dass Ilse, als sie sich 1935 bei der Basler Fremdenpolizei mit dem Anliegen, modernen Ausdruckstanz lehren zu wollen, meldet, Erinnerungsbilder aus dem Gartenhaus der Tanzschule sieht. Ganz bestimmt aber schleicht sich die vierzehnjährige Illepuppe oft zu Frau Schütz-Littmann, wo Fantasietanz und Musikwoge stark auf sie wirken, ja, vielleicht sogar den Wunsch wecken, selbst einmal auf der Bühne zu stehen.
    Hanna Schütz-Littmann ist eine unangenehme Mieterin, sie führt Korrespondenz. In Eingaben an die Baupolizei beschwert sie sich öfter über feuchte Wände im Gartenhaus und über die mangelnde Toilette. Nach längerem Hin und Her lässt Marie im gartenseitigen Keller des Haupthauses einen Abort und ein kleines Bad einbauen. Jahre später wird sie es für sich nutzen müssen. Sehr lange haben sich die Tanzpädagogin und die resolute Vermieterin nicht ertragen. 1930 sieht Marie einen neuen Bedarf in ihrer Nachbarschaft, lukrativ und unkompliziert. Ihr Bruder, Dipl.-Ing. Willi Eisenberg, Büro für Architektur und Bauausführungen, Babelsberger Straße 51, reicht am 8.

November 1930 seinen Bauantrag zur Errichtung einer Anlage von sieben Garagen anstelle des modrigen Gartenhauses ein. Im Anschreiben begründet Marie Winter das Vorhaben: »Ich bin seit dem Tode meines Mannes auf das Einkommen aus der Vermietung der Villa an einzelne Untermieter [möbliert] angewiesen. Die sieben Garagen sollen der bequemen Benutzung durch diese sowie benachbarte Herrenfahrer dienen.«
    Die Garagenanlage wird genehmigt und auch gebaut. Ich schlage im Berliner Adressbuch von 1930 nach. Marie hat guteArbeit geleistet, vier »möblierte Herren« haben Logis: Rentner Levysohn, Ministerialrat Burkowitz, Postaushelfer Krüger und ein Schriftsteller namens Soltau. Mit dieser Belegung und den sieben Garagen hat Marie Winter fünf Jahre nach dem jähen Tod ihres Mannes ihr Auskommen absehbar gesichert.
    In diesem Jahr beendet Ilse mit siebzehn ihre Schullaufbahn in der Untersekunda der Cecilienschule. Abitur will sie nicht machen. Marie ist entsetzt, kann die Tochter aber nicht halten – Ilse will mit aller Macht auf die Bühne und zum Film. Es ist ihr letztes Jahr in der Landhausstraße, der Mutter ist sie schon vor Jahren entglitten.
    Im selben Jahr bezieht das Hausmeisterpaar Kattreiner die

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