Ich will keine Blaubeertorte, ich will nur raus
sicher unbeweglich werden und kriegt ständig schon einen Vorgeschmack auf das, was einem blüht. Dann wird man nichts zu lachen haben, und es wird doch ganz egal sein, wo man krepiert.
Eigentlich doch schade ums Geld, dass ich Französisch lerne! Und einen Strandanzug nähe ich Dir auch noch aus dem schönen Leinenkleid, rote und schwarze Tupfen, das Du mal hattest. Dieses habe ich aufgetrennt, mir einen feschen Schnitt gekauft, kurze Shorts, und die Taille geht vorn ganz durch, sehr schick mit Taschen, ohne Ärmel, ich schicke Dir das Bild, wenn ich es nicht mehr zur Ansicht brauche. Du musst mir nur gleich Deine Taillenweite und Deine Rücken- und Oberweite angeben, damit es auch passt. Also bitte, lass Dir das gleich von der Vogel sagen – und auch, wie lang die Shorts von der Taille gemessen sein sollen.
Dazu noch Strandsandalen; wird süß aussehen. Du hast doch sicher nichts von diesen so modernen Strandsachen? Wenn es Dir gefällt und passt, kann ich Dir ja nach dem Schnitt noch eines in einer feschen anderen Farbe machen, oder ganz bunt geblümt? Schade, dass der teure Schwimmanzug mottenbeschädigt wurde, er kann doch aber fein gestopft werden?
Hier ist jetzt großer Sachenausverkauf, und man könnte vieles gebrauchen, sehr schade. Ich kaufte gestern nun Stoff für mich für zwei Nachthemden, die ich brauche, eine Garnitur und eine für Dich, die ich Dir eben als Päckchen schicke. Hoffentlich werde ich vor dem Unter-den-Hammer-Gehen wenigstens noch so viel retten, um für Dich und mich Kleider und Wäsche mitzunehmen.
Aber wir haben ja vorläufig noch soo viel von diesem Zeug. Auch hier kann ich mir noch einen Laden davon aufmachen, verkaufen so unter der Hand, was heißt verschenken. Darum möchte ich lieber alles mitnehmen, wenn es dazu kommen sollte.
Gutes Kristall, Geschirr und Küchensachen sind draußen so teuer, und wenn ich wirklich noch mal anfangen muss, möblierte Wirtin zu spielen, keine Spinnerei, braucht man ja alles dazu.
Ach, leicht stelle ich mir das nicht vor, denn solche Geduld habe ich ja auch nicht mehr. Ich habe es in den letzten Jahren, Gott sei Dank, nicht mehr gebraucht, mich mit möblierten Menschen abzuquälen. Nee, ich muss sagen, schwer zu arbeiten bin ich nicht imstande.
Und Tante Anni schreibt traurig über den dortigen Aufenthalt, schrecklich, sie muss so schwer arbeiten, hat die Oberaufsicht über die Leute gekriegt und quält sich eben sehr. Ich schickte ihr auch ein Päckchen, denn das Essen ist da miserabel, Porridge als Sonntagsessen mit Kakao zum Abend.
Nun, genug geschrieben, der Brief soll noch in den Kasten. Lass bald wieder von Dir hören, Du siehst an meiner Klaue, wie müde ich bin, habe ja letzte Nacht wegen der Feuerwehr nicht geschlafen, es kann auch eine Schikane gewesen sein.
Lebe wohl und sei herzlichst gegrüßt und geküsst von
Deiner Mutti
FELIX GASBARRA
VIA BATUINO 55
ROM
August 1939
Liebe Dicke.
Du weißt ja, wie das ist – man will immer schreiben und kommt nie dazu. Außerdem habe ich mich furchtbar erkältet, schwere Grippe, und habe fast drei Wochen gelegen.
Na, und dann kam noch so viel anderes dazu, Aufregungen, Sorgen.
Ja, aber nun zu deiner Mutter, das ist die Hauptsache.
Wie ich dir schon damals schrieb, es ist furchtbar schwer, hier jemanden zu bewegen, etwas zu tun. Das ist selbst Leuten mit sehr hohen Beziehungen nicht gelungen, und ich verfüge über solche leider gar nicht. Du schreibst: »Wenn sie eines Tages auf dem Bahnhof von Mailand steht …« Ja, mein Kind, aber dazu gehört doch zunächst mal das Einreisevisum, und das ist mit der Bedingung verknüpft, sich nicht länger als 24 Stunden oder 48 auf italienischem Boden aufzuhalten. Vielleicht eine Fristverlängerung, aber eine reguläre Aufenthaltsbewilligung – unter gar keinen Umständen.
Du siehst ja, was die Schweiz schon für Schwierigkeiten macht, und hier ist man in keiner Beziehung »liberaler«. Das rifugio , das das Land noch vor zwei, drei Jahren war, ist es schon lange nicht mehr.
Ein lustiges Zeitalter haben wir uns da ausgesucht! Du hast ja kaum noch eine Erinnerung an den Weltkrieg, aber ich dafür eine umso genauere, und dennoch steht man wieder genauso ratlos da wie damals. Ein Albdruck, das alles noch mal erleben zu müssen, wie ein böser Traum, aus dem man aufwachen möchte und kann nicht.
Wie ich sehe, wohnst du noch immer Alban-Anlage. Ist denn die Sache mit Heim wieder eingerenkt? Arbeiten denn die Fabriken in Mulhouse noch?
So, für
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