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Ich will keine Blaubeertorte, ich will nur raus

Ich will keine Blaubeertorte, ich will nur raus

Titel: Ich will keine Blaubeertorte, ich will nur raus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Heim
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und grübelt tagein, tagaus und kann sich nicht richtig aussprechen, als säße jeder auf einer anderen Erdkugel, und nicht nur zwölf Stunden Eisenbahnfahrt oder ein paar Flugstunden getrennt. Es ist mehr als tragisch, dieses Unglück.
    Nur bei Dir sind meine Gedanken, die mich verhindern, gänzlich den Mut zu verlieren. Du würdest Dich freuen mit dem anständigen Complet, Ulster und Rock, das ich nach wirklich großen Schwierigkeiten geliefert bekam, seit August lag er dort bei dem Schneider.
    Arbeitslohn mit kleinen Auslagen, aber wollenem Zwischenfutter, incl. Rock 114 Mark, viel Geld, aber spielt ja gar keine Rolle, wenn man es gebraucht. Auch freuen mich die braunen und schwarzen schönen Halbschuhe, die ich noch von damals aus der Schweiz habe und mir zur Auswanderung schone.
    Aber, aber, wann bin ich erst so weit, lieber Gott!
    Jetzt lenke ich mich momentan durch Nähen ein wenig ab, nicht immer bin ich dazu fähig, aber manchmal hat man sogenannte gute Tage. Ich nähe mir aus gestreiftem, gutem Leinenvorhangstoff zwei hübsche Kittelschürzen (für Kuba). Wenn ich wüsste, ich käme bestimmt dorthin, würde ich mir ja noch viele leichte Sachen machen, aber weiß ich denn? Dickes, wollenes Zeug, gottbehüte, für Polen habe ich reichlich, aber ich glaube nicht, dass es für mich infrage kommen wird, es dort zu tragen. Ja, mein Geliebtes, so sieht es mit meinen Gedankensprüngen den ganzen Tag lang aus. Hast Du etwas von Onkel Willi gehört, kann er denn nun endlich abdampfen? Onkel Willi hat am 14. des Monats Geburtstag, schreibe ihm bitte sofort und herzliches, liebes, inniges Gedenken von mir, mit dem sehnlichen Wunsch, ihn nur bald zu sehen.

    Mit zärtlichster Umarmung,
Deine Mutti
    Der dritte Kriegswinter bricht an. Anfang Dezember gelingt der Roten Armee zum ersten Mal ein schwerer Schlag gegen den bis dahin unbesiegbaren Gegner, der unaufhaltsame Vormarsch der Wehrmacht gerät ins Stocken. Die Fälkli-Frauen schöpfen schwache Hoffnung, keine ahnt, dass Krieg und Konzentrationslager noch dreieinhalb Jahre dauern werden.
    »Renata mahnte ständig zu geistiger Aktivität«, erinnert sich Marianne von Heereman, »denn diese erfordere es, sich im Leben zu halten: dass dieses Ziel noch einen Sinn habe, dass, wem’s gelinge, dem noch wahrhaft Schönes bevorstehe. ›Wir könnenfreilich nie wissen, was das Schicksal gewährt‹, schreibt sie ihren Freundinnen nach Berlin, ›und müssen immer unser ganzes Sein dransetzen; wir wissen auch, dass es den Weg des Opfers gibt und dass Sterben manchmal fruchtbarer als Leben sein kann. Aber das muss man dem Schicksal anheimstellen, das immer deutlich zu sprechen pflegt. Zunächst gilt es, mit aller Kraft sich aufrechtzuerhalten, zu ermutigen, zu bestärken und über alle Fernen weg mit kräftigen Gedanken einander zu befeuern […]‹« Die Lebensgemeinschaft von Frau Landmann und Renata von Scheliha bedeutet auch ein ungeheures Ringen umeinander.
    Ilse steigt in diesen »unheilvollen« Herbstwochen oft die Treppen zum Stapfelberg hoch. Am 4.

Dezember kommt ein Lebenszeichen von Hiroshi aus Rom:

    Schön, dass Du die große Hoffnung nicht aufgegeben hast. Es sind Deiner Mutter so viel Ruhe, Nervensubstanz und Zeit von Dir bestimmt nicht vergeblich geopfert worden. Nein, dem Willen eines ganzen Menschen kann nicht unentsprochen bleiben. Das ist meine feste Überzeugung.
    Die Räume in Rom, in ganz Rom, ausgenommen der Vatikanstaat, sind kalt. Wie schön warm war es in deinem gemütlichen Salon! Ich denke oft an den schönen Abend zurück, den wir dort gemeinsam verbrachten.
    Viele liebe und innige Grüße nimm für heute

    von Deinem Hiro

    Berlin, den 14.

Dezember 1941
    Illemusch,

    ich bin außer mir, so lange ohne Nachricht von Dir zu sein, wo mir Deine Post so wichtig ist. Du weißt doch, wie nervös ich darauf warte. Kannst Dir ja meinen Zustand denken, und was jetzt aus mir wird, weiß der liebe Gott (falls es noch einen gibt). Ich kann mit meinem Gestöhne und schwerem Herzen nicht das Deine noch mehr belasten, weiß ich leider nur zu gut, dass Du unter den turmhohen Sorgen keinen Rat weißt; dass Du nicht schreibst, führe ich darauf zurück. Helfen wirst Du mir nicht können, denn bei den eingetretenen Verhältnissen ist jede Hoffnung aus! Ich selbst und alles, was um mich ist, ist verloren, auch für Dich, was mir am wehesten tut, da man alles nur für Dich geschaffen, gepflegt und geschont hatte. Wer nach mir damit glücklich wird, könnte mir

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