Ich will nur dein Glück: Roman (German Edition)
habe mich bloß irgendwann daran gewöhnt, das ist alles.«
Kelly blinzelte, gleichermaßen überrascht von seinen Worten wie von seiner Offenheit. Er hatte ihr verschiedentlich das Gefühl vermittelt, dass er sich unwohl in seiner Haut fühlte, aber sie hatte nicht erwartet, dass er ihr den Grund dafür erläutern würde. Ethan hatte einmal erwähnt, dass er seine Brüder enttäuscht hatte, aber er war nicht ins Detail gegangen, und Kelly hatte es dabei belassen, weil sie nicht aufdringlich wirken wollte. Jetzt hätte sie gern mehr gewusst, doch sie kam nicht mehr dazu, nachzuhaken.
»Gib dich einfach ganz selbstbewusst und tu so, als würdest du hierhergehören. Du schaffst das schon.« Er streckte den Arm aus und drückte ihr beruhigend die Hand, und Kelly war gerührt in Anbetracht der unerwarteten Aufmunterung.
Wer hätte gedacht, dass hinter der harten Schale ein so weicher Kern steckte? Das ließ ihn in ihren Augen gleich noch attraktiver erscheinen.
Sie lächelte. »Danke.«
»Keine Ursache.«
»Und keine Sorge, ich werde niemandem verraten, dass sich hinter der rauen Fassade eigentlich ein ganz netter Kerl verbirgt«, sagte sie lachend.
Er hob eine Augenbraue. »Ich bin nett.«
»Wenn du etwas öfter lächeln würdest, dann würden das vielleicht mehr Leute bemerken.« Tess zum Beispiel. Doch diesen Gedanken sprach Kelly nicht laut aus. Sie wusste, dass die spannungsgeladene Beziehung zu seiner kleinen Halbschwester ein heikles Thema für ihn war.
»Ich werde bei Gelegenheit mal darüber nachdenken«, erwiderte Nash und legte ihr eine Hand auf den Rücken, während er sie zu dem betreffenden Klassenzimmer führte.
Die Klassenlehrerin Julie Bernard, eine Frau Mitte fünfzig, bat sie herein und bedeutete ihnen, sich zu setzen.
Sie wartete ab, bis Nash und Kelly vor ihrem Schreibtisch Platz genommen hatten.
»So … «, sagte sie, als Ruhe eingekehrt war.
»Wir sind schon sehr gespannt, was Sie uns über Tess erzählen werden. Ich bin übrigens Kelly Moss, ihre Schwester.« Kelly streckte die Hand aus, und Julie Bernard schüttelte sie kühl.
»Und ich bin Nash Barron, ihr Bruder.« Nash schüttelte der Lehrerin ebenfalls die Hand.
Julie Bernard nickte kurz und spitzte die Lippen. »Mir ist bekannt, dass Tess komplizierten familiären Verhältnissen entstammt.«
Kelly versuchte, ihre Worte nicht voreilig zu interpretieren. »Das tun heutzutage doch viele Kinder«, sagte sie und lächelte. »Tess lebt bei ihrem Bruder Ethan, der zurzeit auf Hochzeitsreise ist.«
»Sie sind also irgendwie alle miteinander verwandt?«, erkundigte sich Miss Bernard.
»Tess und ich haben dieselbe Mutter«, erklärte Kelly. »Und Nash und Ethan haben denselben Vater wie Tess. Es ist etwas kompliziert, wie Sie gesagt haben.«
Die Lehrerin verschränkte die Finger und ließ die Hände vor sich auf den Tisch sinken. »Tja, das erklärt einiges.«
Kelly musterte sie mit schmalen Augen. Ihre Bereitschaft, das Beste von dieser Frau anzunehmen, schwand dahin. »Ich kann Ihnen versichern, dass Tess umgeben ist von Menschen, die sie lieben und auf die sie sich verlassen kann. Es würde mich also interessieren, was Sie mit › Das erklärt einiges ‹ meinen.«
»Die Einstellung Ihrer Schwester lässt etwas zu wünschen übrig.«
»Das ist doch bei den meisten Teenagern so«, sagte Kelly und fügte in Gedanken Die deine übrigens auch, meine Liebe hinzu.
Nash legte ihr beschwichtigend eine Hand auf den Arm.
»Aber nicht in Birchwood, Miss Moss. Wir haben hier höhere Erwartungen an unsere Schüler.«
Meine Güte, was für ein hochnäsiges Biest!
Nash beugte sich nach vorn. »Fällt Tess während des Unterrichts negativ auf?«
Miss Bernard sah ihm in die Augen. »Nicht ausdrücklich.«
»Ist sie vorlaut?«, fragte Nash.
Kelly biss sich auf die Innenseite der Wange, wusste sie doch nur zu gut, über welch beeindruckendes Repertoire an Schimpfwörtern Tess verfügte.
Die Lehrerin schüttelte den Kopf. »Nicht gegenüber den Lehrern oder dem übrigen Personal.«
»Wo liegt dann das Problem? Können Sie sie vielleicht einfach nicht leiden?«, platzte Kelly heraus. Diese Frau hatte ganz offensichtlich ein Problem mit Tess.
Miss Bernard rückte ihre Brille zurecht. »Nun, wie gesagt, sie muss an ihrer Einstellung arbeiten. Sie tut zwar, was man ihr aufträgt, aber meist nur widerstrebend. Und sie macht ihre Hausaufgaben, aber oft sieht es so aus, als hätte sie sie in großer Eile erledigt. So etwas tolerieren wir an
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